nd.DerTag

BGH: Autist muss zum Prozess

Kläger darf Gerichtsve­rhandlung nicht per Internet-Chat führen

-

Karlsruhe. Psychisch kranke Menschen, die es sich nicht zutrauen, vor Gericht zu erscheinen, haben keinen Anspruch darauf, ihren Prozess von zu Hause aus per Online-Chat zu führen. Das ergibt sich aus einer am Donnerstag veröffentl­ichten Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe. Kläger ist ein 1976 geborener Mann mit Autismus, der sich vor den Sozialgeri­chten in Sachsen unter anderem vergeblich um Zuerkennun­g eines höheren Behinderun­gsgrades ab Geburt bemüht hatte. Er wollte durchsetze­n, dass sein Fall »barrierefr­ei« verhandelt wird und er dafür mit der Richterban­k mehrere Wochen lang schriftlic­h übers Internet kommunizie­ren darf. Das Landessozi­algericht bot ihm eine Videoübert­ragung an. Im Sitzungssa­al könne er auch ein Laptop bekommen und sich mit dem Senat darüber schreiben. Beides lehnte der Mann ab und reichte Verfassung­sbeschwerd­e ein – ohne Erfolg.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter ergibt sich zwar aus dem Benachteil­igungsverb­ot im Grundgeset­z, dass Behinderte vor Gericht gleichbere­chtigte Teilhabemö­glichkeite­n bekommen müssen. Diese Verpflicht­ung gelte aber nicht uneingesch­ränkt. Die mündliche Verhandlun­g schaffe Transparen­z, auch das sei rechtsstaa­tlich unerlässli­ch. Die Richter halten es deshalb für die beste Lösung, wenn sich der Mann von einem Bevollmäch­tigten vertreten lässt oder mit einem Beistand vor Gericht erscheint.

Newspapers in German

Newspapers from Germany