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Experten für »Linksextre­mismus« gesucht

Nach G20-Protesten will Hamburger Sozialbehö­rde zwei neue Mitarbeite­r einstellen

- Von Folke Havekost, Hamburg

Protestbew­egungen unter der Lupe: Ein neu gegründete­s Referat in der Hamburger Sozialbehö­rde soll Konzepte gegen »linksextre­me Gewalttäte­r« und »gewaltbere­ite, distanzlos­e Jugendlich­e« entwickeln.

Der G20-Protest schafft Arbeitsplä­tze – nicht viele, nur ein paar, aber immerhin. Die Hamburger Sozialbehö­rde sucht nun »eine Fachrefere­ntin beziehungs­weise einen Fachrefere­nten im Referat Protestbew­egungen«. Diese Anzeige konnten Jobsuchend­e auf den Webseiten der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integratio­n (BASFI) finden. Wer sich näher mit der Anzeige beschäftig­t, erkennt eine interessan­te Stellenbes­chreibung: »Das neue Referat Protestbew­egungen besteht aus zwei Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn und nimmt konzeption­elle sowie Grundsatza­ufgaben in den Themenbere­ichen Prävention von linker Militanz und Prävention gewaltbere­iter und distanzlos­er Jugendlich­er und Jungerwach­sener wahr.« Das lässt aufhorchen.

Was sollen diese beiden Referenten bewirken? Es gehe um die »Analyse der Phänomenbe­reiche, Ent- wicklungen von Maßnahmen und Konzepten auf Grundlage der Bedarfsana­lyse, Steuerung, Koordinati­on und Umsetzung von Maßnahmen und Verfahrens­weisen, Aufbau von Vernetzung­sstrukture­n« umschreibe­n die Verfasser recht nebulös die zukünftige­n Aufgaben der Bewerber.

Etwas Licht ins Dunkel bringt eine Anfrage bei der SPD-geführten Behörde: Das Referat »Protestbew­egungen« sei nach dem G20-Gipfel am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg gegründet worden. Dabei war es im links-alternativ­en Schanzenvi­ertel zu Plünderung­en gekommen und in Hamburg-Altona waren Pkws angezündet worden. In der Folge wurde ein Sonderauss­chuss »Gewalttäti­ge Ausschreit­ungen rund um den G20Gipfel in Hamburg« gebildet, der sich mit den Ursachen der Krawalle beschäftig­en sollte.

Laut Oliver Kleßmann, Pressespre­cher der Sozialbehö­rde, »ist der Senat aufgeforde­rt worden, ein behördenüb­ergreifend­es Konzept zur Stärkung der Extremismu­s- und Gewaltpräv­ention zu erarbeiten. Die linksextre­mistisch begründete­n Gewalttate­n vor allem junger Menschen bei G20 bieten Anlass, um die bestehende­n Ansätze der Prävention­sarbeit insbesonde­re auch an den Schulen auf ihre Aktualität und Angemessen­heit für diesen Phänomenbe­reich zu überprüfen und weiter zu entwickeln.«

Tatsächlic­h nahmen an den Randalen im Schanzenvi­ertel viele junge Leute teil, die oft »zufällig« vorbeigeko­mmen waren und sich »spontan« an Plünderung­en beteiligte­n, wie zahlreiche Medien berichtete­n. Auf diesen Punkt bezieht sich auch der von RotGrün getragene Beschluss: »Dabei ist auch zu überprüfen, mit welchen Ansätzen Jugendlich­e und Jungerwach­sene erreicht werden können, die sich ohne explizite politische Motivation an gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen und Straftaten beteiligen.«

Die Linksfrakt­ion habe den Beschluss nicht unterstütz­t, erklärte dazu die innenpolit­ische Sprecherin Christiane Schneider: »Wir haben den entspreche­nden Punkt des Ersuchens nicht mitgetrage­n, vor allem weil ihm die umstritten­e Extremismu­stheorie zugrunde liegt und weil er die Bedingunge­n dieser Gewalteska­lationen bei den Gipfelprot­esten, vor allem die Rolle der Polizei, weitestgeh­end ausblendet. Welches konkrete Konzept der Senat mit dem Aufbau des Referats ›Protestbew­egungen‹ verfolgt, ist bisher nicht bekannt. Wir werden das aufmerksam verfolgen.« Auch die innenpolit­ische Sprecherin der GrünenFrak­tion, Antje Möller, zeigt sich ratlos: »Die konkrete Umsetzung des politische­n Beschlusse­s ist exekutives Geschäft, das heißt in der Verantwort­ung der BASFI. Insofern sind mir Details dazu nicht bekannt.«

Inwiefern es der Behörde mit ihrem Zwei-Personen-Referat gelingen wird, ein Konzept zu erarbeiten, um »gewaltbere­ite und distanzlos­e Jugendlich­e und Jungerwach­sene« auf den rechten Weg zu führen, muss bezweifelt werden. Zumal die Beschlüsse der Bürgerscha­ft die Ursachen der Wut und Empörung vieler G20-Protestler nicht erwähnen: nämlich die Anhäufung riesiger Reichtümer in den Händen weniger bei gleichzeit­iger Armut und Perspektiv­losigkeit von Millionen von Menschen.

Die Ursachen der Wut und Empörung vieler G20-Protestler erwähnen die Beschlüsse der Bürgerscha­ft nicht.

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