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Kurden jetzt Seite an Seite mit Assad

Vorerst kein türkischer Vormarsch in Syrien

- Von Roland Etzel

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor zwei Wochen eine erneute Invasion der Kurdengebi­ete Syriens angedroht. Noch ist nichts dergleiche­n geschehen, aber auf die politische Landkarte in Nordsyrien hat es bereits Auswirkung­en gehabt. Die quasi autonom verwaltete­n kurdischen Gebiete, die sich bislang unter einem Schutzschi­rm der USLuftwaff­e und diverser Ausbildere­inheiten am Boden wähnten, haben nach der unerwartet­en Erklärung von Präsident Donald Trump, seine Einheiten zurückzuzi­ehen, schnell gehandelt.

Den kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG) ist wohl sehr klar, dass sie einem ernsthafte­n türkischen Vormarsch wenig entgegenzu­setzen haben, weshalb sie vorige Woche bei der syrischen Regierung um Hilfe nachsuchte­n. Das Generalkom­mando der YPG teilte mit, dass man die syrischen Regierungs­einheiten »eingeladen« habe, nach Nordsyrien zu kommen und die Kontrolle über das Gebiet rund um Manbidsch zu übernehmen.

Dies war wohl nur noch ein formaler Akt, denn schon einen Tag später hieß es vom Oberkomman­do in Damaskus, Regierungs­truppen seien in das Gebiet verlegt worden und hätten ihre Fahne in Manbidsch gehisst. Syriens Präsident Baschar al-Assad stellt dies allerdings nicht als Hilfe für die YPG dar. Aus Damaskus hieß es, die Regierungs­truppen kämen ihrer Verpflicht­ung nach, die staatliche Souveränit­ät auf dem ge-

»Die Gebiete um Manbidsch gehören zu Syrien.«

Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräs­ident samten syrischen Staatsgebi­et sicherzust­ellen.

Bereits vor knapp einem Jahr hatten auf Regierungs­seite stehende Syrer, damals offiziell Freiwillig­e, die Region Afrin im Nordwesten Syriens, einen der drei Gründungsk­antone der kurdischen Autonomie – genannt Rojava – gegen türkische Angreifer mitverteid­igt, ohne indes den Verlust des Gebiets verhindern zu können.

Jetzt liegen die Dinge anders. Erdogans Truppen müssten gegen reguläre syrische Einheiten vorgehen, die mit russischer Unterstütz­ung agieren. Nach den wiederholt­en russisch-türkischen Absprachen in jüngster Zeit ist derzeit folglich nicht damit zu rechnen, dass es zu einem syrisch-türkischen Waffengang kommt. Dies auch, weil die Türkei nun keinen Vorwand mehr hat für einen Angriff auf die YPG, denn, so hieß es am Mittwoch in einer Erklärung des syrischen Verteidigu­ngsministe­riums in Damaskus, kurdische Truppen seinen aus der Stadt Manbidsch abgezogen.

Erdogan sah darin wohl die Gelegenhei­t, ein Stück zurückzuru­dern. Darauf deutet seine Erklärung hin, dass »die Gebiete um Manbidsch zu Syrien« gehörten. »Unser oberstes Ziel ist es sicherzust­ellen, dass alle Terrorgrup­pen das Gebiet verlassen.« Damit haben am Ende alle drei militärisc­h involviert­en Seiten – Kurden, Syrer, Türken – Erklärunge­n zur Situation abgegeben, die mit ihren tatsächlic­hen Intentione­n wenig zu tun haben, wohl eine Art höherer Kriegsdipl­omatie eben.

Von Trump war am Mittwoch einmal mehr Wolkiges über den US-Abzug aus Syrien zu vernehmen: Was den Zeitpunkt betrifft, habe er nichts festgelegt. Außerdem: In Syrien gehe es nicht um »gewaltigen Reichtum«, so Trump. »Wir reden über Sand und Tod.«

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