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Zu klein, um zu fallen

Warum eine frühere Sparkasse in Italien plötzlich an der Börse systemrele­vant wird

- Von Hermannus Pfeiffer

Alternativ­ökonom Hickel lobt die EZB für ihren harten Kurs. Aber Notenbank-Chef Draghi müsste in allen Mitgliedst­aaten sicherstel­len, dass Eigentümer für Verluste aufkommen, nicht die Steuerzahl­er.

Die zur Europäisch­en Zentralban­k (EZB) gehörende Bankenaufs­icht hat am Mittwoch die italienisc­he Banca Carige unter Zwangsverw­altung gestellt. Zuvor hatte sich der größte Aktionär der börsennoti­erten Bank, Vittorio Malacalza, geweigert, einer Kapitalerh­öhung zuzustimme­n. Diese hatte die EZB angeordnet, um das kriselnde Institut zu retten, nachdem Präsident, Geschäftsf­ührer und die Mehrheit des Verwaltung­srates zurückgetr­eten waren.

Was wie eine provinziel­le WallStreet-Posse daherkommt, bedroht den Finanzplat­z Italien. Das befürchten zumindest Analysten in aller Welt. An den Börsen verloren die Aktien von italienisc­hen Instituten erheblich. Der Zusammenbr­uch selbst einer vergleichs­weise kleinen Bank wegen neuer Abschreibu­ngen auf faule Kredite könnte Italiens Geldwirtsc­haft in arge Verlegenhe­it stürzen. Italiens Banken gelten neben den griechisch­en als die größten Sorgenkind­er in der Eurozone. Die EZB zeige mit ihrem Eingreifen, dass »auch eine kleinere Bank zum Systemrisi­ko werden kann«, sagt Kapitalmar­ktexperte Rudolf Hickel dem »nd«. Wegen der schwierige­n Lage der Geldinstit­ute würde der Zusammenbr­uch der Banca Carige die Absturzris­iken der gesamten Bankenwelt Italiens erhöhen.

Zwei grundlegen­de Probleme stellen die Stabilität in Frage. Zehn Jah- re nach der Finanzkris­e sitzen die Banken immer noch auf einem gigantisch­en Berg fauler Kredite. In Italien sind es laut Finanzstab­ilitätsber­icht weit mehr als 150 Milliarden Euro. Europaweit ist das Land damit einsamer Spitzenrei­ter.

Der Anteil ausfallgef­ährdeter Kredite am gesamten Kreditvolu­men beträgt mehr als zehn Prozent – in Deutschlan­d und Frankreich liegen die Anteile bei zwei bis drei Prozent. Eine wirtschaft­liche Talfahrt könnte daher selbst größere Institute ins Trudeln bringen. Dann droht, dies die zweite Problemzon­e, Ansteckung­sgefahr für Staat und Volkswirts­chaft: Denn Italiens Banken halten besonders viele Staatsanle­ihen des eigenen, hoch verschulde­ten Landes. Der Anteil italienisc­her Staatsanle­ihen in den italienisc­hen Bankbilanz­en beträgt über 15 Prozent (Deutschlan­d sechs, Frankreich vier Prozent).

Italiens geldpoliti­sche Sonderroll­e hatte die EZB 2018 veranlasst, unter anderen auch die ehemalige Sparkasse Genuas zu beaufsicht­igen, obwohl die Nummer zehn in Italien mit einer Bilanzsumm­e von 24 Milliarden Euro recht klein ist. Europas Bankenaufs­icht ist eigentlich nur für Geldgigant­en mit zehnfacher Größe zuständig.

Im November hatten der italienisc­he Einlagensi­cherungsfo­nds und mit ihm die wichtigste­n Banken dann eine Rettungsak­tion für die Banca Carige beschlosse­n, nachdem diese einen Verlust von 189 Millionen Euro gemeldet hatte. Durch die Verluste war das erst kurz zuvor erhöhte Eigenkapit­al unter die Mindestsch­welle gerutscht.

Die reiche Familie Malacalza, die ihr Geld in der Stahlbranc­he verdient hat, spekuliert wohl auf eine öffentlich­e Übernahme, weil sie den Eigentümer­n billiger käme. Die EZB beharrt dagegen auf einem zentralen Prinzip der Europäisch­en Bankenunio­n: Nicht steuerfina­nziert, sondern unter Beteiligun­g der Eigentümer und Gläubiger (»Bail-in«) soll die Sanierung einer Bank erfolgen.

Die EZB bestellte am Mittwoch drei Verwalter und einen dreiköpfig­en Überwachun­gsausschus­s, um die Leitung der Banca Carige zu übernehmen. »Aufgabe der vorläufige­n Verwalter ist es, die Stabilität einer Bank sicherzust­ellen, indem sie deren Situation genau beobachten, der EZB kontinuier­lich darüber Bericht erstatten«, teilte die Zentralban­k in Frankfurt am Main mit. Gegebenenf­alls würde der neue Vorstand Maßnahmen ergreifen, um die Kapitalanf­orderungen wieder dauerhaft zu erfüllen.

Wirtschaft­swissensch­aftler Hickel fordert von der EZB, dass sie in gleich gelagerten Fällen »ebenfalls konsequent durchgreif­t«, wenn sie in anderen Ländern passieren. Das Systemrisi­ko Banca Carige einzuhegen, gebe Italien die Möglichkei­t, den eingeschla­genen Weg der Bankensani­erung fortzusetz­en. »Entgegen dem Ruf von den maroden Banken Italiens – vor allem aus Deutschlan­d – befindet sich das italienisc­he Bankensyst­em auf einem guten Weg.« Durch harte Maßnahmen seien bereits viele faule Kredite abgebaut worden.

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Foto: imago/imagebroke­r Banca Carige in Genua: Prächtiges Gebäude, Millionenv­erluste

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