Die breite Mehrheit entlasten
Die Forscher des gewerkschaftsnahen IMK schlagen vor, die Sozialabgaben zu senken, statt den Soli abzuschaffen
In den vergangenen 20 Jahren wurden nur die reichsten 30 Prozent steuerlich entlastet. Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlag würde diese Politik fortsetzen.
Eigentlich könnte es 2019 gut laufen. Um solide 1,7 Prozent könnte die Wirtschaftsleistung hierzulande wachsen, schätzt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in seiner Prognose, die es am Donnerstag in Berlin vorstellte. Doch die gewerkschaftsnahen Ökonomen warnen gleichzeitig vor erheblichen Risiken, die ihre Vorhersage schnell zu Makulatur werden lassen könnten. Der Schaden, den ein ungeordneter Brexit mit Turbulenzen auf den Finanzmärkten anrichten könnte, ist laut den IMK-Forschern gar nicht richtig vorhersagbar. »Auch die Gefahr eines Handelskrieges ist noch nicht gebannt«, warnt IMK-Direktor Gustav A. Horn zudem.
Er und seine Kollegen raten deshalb zu einem »wirtschaftspolitischen Dreiklang«, der die deutsche und europäische Wirtschaft für 2019 und die drohenden Risiken fit machen soll. Erstens soll die Politik laut dem IMK mit der Bereitschaft zu niedrigeren Zöllen auf die USA und China zugehen, um einen möglichen Handelskrieg zu vermeiden. Wobei das Institut empfiehlt, gleichzeitig bei Verhandlungen um Standards des Arbeits- und Verbraucherschutzes hart zu bleiben. Zweitens sprechen sich die Forscher für eine Stärkung Eurozone aus – etwa durch die Bündelung von Staatsanleihen der Euroländer zu neuen gemeinsamen Wertpapieren. Drittens schlagen Gustav A. Horn und Co. vor, die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für die Absenkung der Sozialabgaben zu verwenden, statt ihn aufzuheben.
So ist im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD festgehalten, dass der Soli ab 2021 für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft werden soll. Seit einiger Zeit werden zudem Stimmen aus der Wirtschaft und Union immer lauter, ihn ganz zu streifchen. Auch die Mehrheit der sogenannten Wirtschaftsweisen ist dafür.
»Anders als behauptet, wäre die von der Regierungskoalition geplante Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags die Fortsetzung einer Steuerpolitik, die die größten Entlastungen dem oberen Ende der Einkommensverteilung zukommen lässt«, gibt jedoch das IMK in seinem Bericht zu bedenken. Denn vor allem Besserverdiener zahlen den Solidaritätszuschlag. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung trägt mit ihren Steuerzahlungen nur 1,7 Prozent des gesamten Steueraufkommens durch den Soli. Weite Teile der Bevölkerung würden durch seine Abschaf- fung also nicht oder kaum steuerlich entlastet.
Stattdessen rät das IMK, den Solidaritätszuschlag in den allgemeinen Steuertarif einzugliedern. Das daraus generierte Steueraufkommen sollte ihm zufolge genutzt werden, um die Sozialversicherungen von versicherungsfremden Leistungen zu entlasten und so die Sozialbeiträge zu senken. »Nachdem von den Steuerreformen der vergangenen 20 Jahre unter dem Strich nur die 30 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen profitiert haben, würde so auch die breite Mehrheit entlastet«, sagt IMK-Direktor Horn.
Dabei finanzieren die Sozialversicherten mit ihren Beiträgen im Umfang von jährlich mindestens 60 Milliarden Euro Leistungen wie die sogenannte Mütterrente oder die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung, obwohl diese im gesamtgesellschaftlichen Interesse erfolgen und eigentlich vollständig durch Steuern finanziert werden sollten. Gleichzeitig schlagen bei den Normal- und Geringverdienern weniger die Einkommenssteuer als viel mehr die Sozialbeiträge zu Buche. Durch eine Absenkung dieser Beiträge hätten also auch Haushalte mit geringerem Einkommen mehr Geld zur Verfügung, das bei ihnen größtenteils in den Konsum fließen würde, sind sich die IMK-Forscher sicher. Dies würde wiederum die private Konsumnachfrage weiter stärken und so die Wirtschaft stabilisieren.
Dabei könnten die gewerkschaftsnahen Ökonomen mit ihrem Vorschlag durchaus den Nerv der Bevölkerung treffen. Wie die Ergebnisse einer Untersuchung des Basel Institute of Commons and Economic zeigen, zahlt man hierzulande im Vergleich zu anderen Ländern relativ gerne seine Steuern und Abgaben.