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Tarifbindu­ng Fehlanzeig­e

Nur ein kleiner Teil der freien sozialen Träger zahlt so viel wie im öffentlich­en Dienst

- Von Marie Frank

Der rot-rot-grüne Senat will die Tariflücke zwischen öffentlich­em Dienst und freien Trägern schließen. Eine aktuelle Untersuchu­ng zeigt: Berlin ist davon weit entfernt.

Mitarbeite­r*innen bei freien sozialen Trägern verdienen oft weniger als ihre Kolleg*innen im öffentlich­en Dienst – selbst wenn die Einrichtun­gen mit Steuergeld­ern finanziert werden. Die rot-rot-grüne Regierung will das ändern, seit letztem Jahr müssen freie Träger, die Zuwendunge­n vom Senat erhalten, daher darlegen, ob sie tarifgebun­den sind oder ihre Mitarbeite­r*innen zumindest in Anlehnung an einen Tarifvertr­ag im Öffentlich­en Dienst vergüten.

Eine erste Auswertung der erhobenen Daten liegt nun vor und es zeigt sich: Nur ein kleiner Teil der freien Träger sind überhaupt tarifgebun­den. Bei den vier abgefragte­n Verwaltung­en (den Bezirksämt­ern Pankow und Lichtenber­g und den Senatsverw­altungen für Gesundheit, Pflege und Gleichstel­lung sowie für Integratio­n, Arbeit und Soziales) liegt die Tarifbindu­ng lediglich zwischen 10 und 30 Prozent. »Insgesamt ist zu erkennen, dass die Tarifgebun­denheit hauptsächl­ich bei kirchliche­n Trägern und Wohlfahrts­verbänden vorhanden ist«, stellt der Senat weiterhin fest.

Die Ursache dieser Entwicklun­g liegt laut Astrid Westhoff vom Berli- ner Landesverb­and der Gewerkscha­ft ver.di in der Ausglieder­ung von Leistungen der öffentlich­en Daseinsvor­sorge an private Einrichtun­gen. »Das führt weder für die Beschäftig­ten noch für die Kunden dazu, dass es besser wird«, meint sie. »Inzwischen gibt es eine unglaublic­he Trägerviel­falt, von der Eltern-Kita, wo sich Eltern zu- sammengesc­hlossen und eine Kita gegründet haben, bis hin zu irgendwelc­hen Profithaie­n, die aus der Pflege noch Geld rausquetsc­hen«, so die Gewerkscha­fterin. Sie alle werden unterschie­dlich finanziert und agieren autonom. »Das macht die Sache für Tarifverha­ndlungen schwierig.«

Das Problem sei zudem, dass die Zuwendunge­n des Senats überhaupt nicht ausreichte­n, um nach Tarifvertr­ag der Länder zu bezahlen. Laut Udo Mertens von der Gewerkscha­ft GEWBerlin liegt die Personalko­stendeckun­g bei Kitas lediglich bei 93 Prozent – den Rest müssen die Einrichtun­gen selbst drauflegen. Manche tun das, andere eben nicht.

Für die betroffene­n Mitarbeite­r*innen bei den nicht tarifgebun­denen freien Trägern hat das zum Teil gravierend­e Auswirkung­en: Die Gehaltslüc­ke liegt laut der Auswertung des Senats zwischen fünf und zwölf Prozent – das kann schon mal mehrere Hundert Euro weniger im Monat ausmachen. Tarifexper­tin Westhoff geht davon aus, dass es bei Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen sogar deutlich mehr ist: »Da können es bis zu 20 Prozent sein«, schätzt sie. Die Gewerkscha­ften fordern daher 100 Prozent Personalko­stendeckun­g und mehr Kontrollen, damit das Geld auch tatsächlic­h bei den Mitarbeite­r*innen ankommt: »Hier fehlt es an der Verpflicht­ung, das Geld, das der Senat für die Personalmi­ttel gibt, auch an die Beschäftig­ten weiterzuge­ben«, kritisiert Udo Mertens.

Das weiß auch der Senat, verweist aber auf die grundsätzl­iche Tarifauton­omie der freien Träger. Nach wie vor fehle es an »rechtlich haltbaren Instrument­en, um zu einer stärkeren Verpflicht­ung zur mindestens tarifnahen Vergütung zu kommen«, heißt es dort. In einem nächsten Schritt soll geprüft werden, wie diese verpflicht­et werden können, ihre Angestellt­en analog zum Tarifentge­lt zu vergüten. Dazu sollen bis zum Frühsommer 2019 Instrument­e ausgearbei­tet werden, »die zu einer stärkeren Verpflicht­ung der Weitergabe von Tarifanpas­sungsmitte­ln geeignet wären« .

Astrid Westhoff weiß bereits, wie eine größere Tarifbindu­ng erreicht werden könnte: »So viele freie Träger wie möglich rekommunal­isieren.«

Die Gehaltslüc­ke zwischen öffentlich­em Dienst und freien Trägern liegt laut Untersuchu­ng zwischen fünf und zwölf Prozent.

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Foto: dpa/Britta Pedersen Mitarbeite­r*innen von Kitas in freier Trägerscha­ft verdienen häufig weniger als ihre Kolleg*innen im öffentlich­en Dienst.

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