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»Eine völlig verrückte Schnapside­e«

Heftige Reaktion in Thüringen auf den Brandenbur­ger Vorstoß für eine Koalition zwischen LINKE und CDU

- Von Sebastian Haak

Aus dem Nordosten Deutschlan­ds gibt es Stimmen, die eine Regierungs­koalition LINKE/CDU nicht grundsätzl­ich ausschließ­en. Für die Thüringer Union kommt diese Diskussion zur Unzeit.

Die Worte, die der Thüringer Landesvors­itzende der Jungen Union (JU), Stefan Gruhner, in diesem Fall wählt, sind solche, die er und seine JULeute eigentlich nutzen, um den politische­n Gegner zu attackiere­n. Diesmal gelten sie den eigenen Leuten; genau genommen dem Vorsitzend­en der CDU in Brandenbur­g, Ingo Senftleben. Der, sagt Gruhner, habe »eine völlig verrückte Schnapside­e« öffentlich gemacht. Wer das wolle, was Senftleben jedenfalls nicht ausgeschlo­ssen hat, der »legt die Axt an die Grundüberz­eugungen der CDU an«. Was Senftleben wolle, so Gruhner, schaffe »eine neue nationale Front«.

Gruhner reagiert mit solch scharfen Worten auf eine Äußerung Senftleben­s vor Journalist­en in Potsdam, in der dieser eine Koalition zwischen CDU und LINKEN nach der Landtagswa­hl in Brandenbur­g dieses Jahr nicht ausgeschlo­ssen hatte. In seinem Bundesland, sagte Senftleben, sei ein »vernünftig­er Neuanfang« nötig.

Laut Medienberi­chten blieb Senftleben in seinen Aussagen nicht mal vage – ein Grund dafür, dass seine Worte mehr sein dürften als eine Mei- nungsäußer­ung, die im Weihnachts­loch Jahr für Jahr auftauchen und dann wieder verschwind­en. Die CDU in Brandenbur­g sei dafür, »die politische Farbenlehr­e zu erweitern und über Grenzen hinweg zu denken«, sagte Senftleben – während er klarmachte, dass eine Zusammenar­beit mit der AfD nach der Landtagswa­hl für ihn nicht infrage kommt, auch wenn er Koalitions­gespräche mit Parteien zu führen gedenke, die in das Parlament gewählt werden. Immerhin habe Brandenbur­gs CDU die Flüchtling­spolitik von Kanzlerin Angela Merkel immer unterstütz­t, und er selbst sei in der CDU aktiv, weil er als Christ seinen Glauben leben wolle. »Dazu zählt für mich, Nächstenli­ebe, Toleranz und Vielfalt zu akzeptiere­n«, wird Senftleben vom »Tagesspieg­el« zitiert. Diese Werte würden sich in einer Koalition mit den Rechtspopu­listen nie durchsetze­n lassen. Zwischen der LINKEN und der CDU gebe es große inhaltlich­e Differenze­n, so Senftleben, fügte laut »Tagesspieg­el« jedoch hinzu: »Fakt ist aber auch, dass ich in 18 Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass die Zusammenar­beit mit der LINKEN – bei allen Widersprüc­hen – in der Regel funktionie­rt.« Dazu brauche man nicht mal Protokolle. »Eine Absprache ist eine Absprache.«

In Brandenbur­g hatte es vor Kurzem auch aus den Reihen der LINKEN Signale gegeben, nach denen die Partei eine Zusammenar­beit mit der Union in dem Bundesland nicht völlig ausschließ­t – was auf den anderen Grund verweist, aus dem Senflebens Aussage ziemlich ernst zu nehmen ist: Tatsächlic­h nämlich ist die AfD im Osten Deutschlan­ds laut Wahlumfrag­en seit vielen Monaten schon so konstant stark, dass in allen Bundesländ­ern, in denen nächstes Jahr gewählt wird, eine Situation eintreten könnte, in denen nur eine Koalition von CDU und LINKEN möglich sein könne;

wenn keine andere Partei mit der AfD in einer Regierung zusammenar­beiten will. 2019 werden die Landtage in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen neu gewählt. Die AfD liegt in der Wählerguns­t in allen drei Ländern seit Monaten zwischen etwa 20 und 25 Prozent.

Dass Gruhner auf die Worte Senftleben­s so heftig reagiert, liegt vor allem daran, dass die Thüringer CDU im begonnenen Landtagswa­hlkampf versucht, sich klar von der AfD und den LINKEN abzugrenze­n. Spitzenver­tre- ter der Union in Thüringen lassen seit Monaten keine Gelegenhei­t aus, die Unterschie­de zwischen den beiden Parteien zu betonen und deutlich zu machen, dass die Thüringer Landtagswa­hl 2019 aus ihrer Sicht eine gesellscha­ftliche Richtungsw­ahl wird. Entweder, so ihre Botschaft, geht der Freistaat weiter nach links. Vor allem, wenn unter Führung der LINKEN RotRot-Grün fortgesetz­t wird. Oder der Freistaat schlägt für die nächsten vier Jahre einen bürgerlich­en Weg ein – mit Hilfe eines Bündnisses, in dem die CDU wieder die Führungsro­lle übernimmt. Den LINKEN in Thüringen ist das nicht Unrecht, denn auch dort sieht man die Landtagswa­hl im nächsten Jahr als eine, bei der die Gesellscha­ft an einer Weggabelun­g steht.

Nicht zufällig sagt Gruhner in seiner Reaktion auf Senfleben, zum Parteienwe­ttbewerb im Osten gehöre der Gegensatz von CDU und LINKE. »Die LINKE ist und bleibt ein rotes Tuch für die CDU.« Dann wird er fast theatralis­ch: »Eine Koalition aus CDU und LINKEN wäre ein absoluter Tabubruch und würde die Union innerlich zerreißen.«

Dass erst im Sommer SchleswigH­olsteins Ministerpr­äsident und CDUMann Daniel Günther eine Diskussion über eine Koalition aus CDU und LINKEN auf Ländereben­e angestoßen hatte, darf aber als Ausweis dafür gelten, dass solche Gedankensp­iele in den nächsten Monaten eher häufiger als seltener werden dürften.

»Die CDU in Brandenbur­g ist dafür, die politische Farbenlehr­e zu erweitern und über Grenzen hinweg zu denken.« Ingo Senftleben, Landeschef der CDU in Brandenbur­g

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