Wozu denn noch den Blutdruck senken?
Das japanisch-bayerische Folk-Duo Coconami ist zurück: Auf seinem neuen Album geht es auch um Herpes und Sonnenbrand
Achim is a punk rocker, a punk rocker now«, sang das Münchner Folk-Duo Coconami an einem Tag im Frühjahr, während einigen der zahlreich erschienenen Zuhörenden Tränen in den Augen standen. Es handelte sich bei dem dargebotenen Lied um eine textlich nur geringfügig veränderte (»Achim«) und eigenwillig zarte Kinderzimmer-Version des Ramones-Klassikers »Sheena is a punk rocker« aus dem Jahr 1977. Live vorgetragen wurde das Stück im März des vergangenen Jahres auf einer Trauerfeier in München. Betrauert wurde der Verleger Achim Bergmann, der lange Jahre den linken Buch- und Musikverlag Trikont leitete. »Wir wollten was Fröhliches«, meinte damals Mitsuyoshi Miyajima, die eine Hälfte des Musik- duos Coconami, dessen Alben seit zehn Jahren beim kleinen Label Trikont erscheinen.
In der Tat kultivieren die beiden von Coconami, die zwei »japanischen Münchner«, der gelernte Ingenieur Miyajima und die Musiktherapeutin Nami Kashiwagi, das UnbeschwertFröhliche und Kinderzimmerkompatible an ihrer Musik schon lange. Dass es, um originelle und aufregende Musik zu machen, nicht zwingend bombastischen Aufwand und komplizierte High-Tech-Apparaturen braucht, sondern vor allem die Liebe zu unterschiedlichsten Klängen – von der Nasenflöte übers Hackbrett bis zur Spielzeugtrommel – und zum Spiel mit ihnen, haben Coconami bereits mit ihren bisher herausgekommenen drei Alben bewiesen, auf denen sie ihren skurrilen, minimalistisch-schwerelosen Ukulele-Folk zum Besten ga- ben. Die »Süddeutsche Zeitung« bezeichnete das Duo einmal als ein »Vademecum gegen alles Unschöne im Leben«.
Auf ihrem nun, nach einigen Jahre Pause, veröffentlichten vierten Album ist das dominierende Instrument die selbst konstruierte »Zigarrenkistengitarre«.
Neben neu interpretierten Country-Songs (»I Saw The Light« von Hank Williams und »I Walk The Line« – mit neuem deutschem Text – von Johnny Cash) und anrührenden Lo-Fi-Liebesliedern (»Haifischbaby«) finden sich auch Stücke über Sonnenbrand (»Doch meine arme Außenkruste heilte nicht die Bohne / Sie fiel in großen Schindeln von mir ab«) oder über die Selbsttäuschungen, denen der Bürger während seines permanenten Bemühens, Sicherheit zu schaffen, erliegt (»Aale können Herpes kriegen / Ist das nicht verstörend?«). Mit am bezauberndsten ist wohl der Song »Senioren der Sonne«, der das vermeintliche Vorrecht der Jugend auf haltloses Partyleben in Zweifel zieht und für die uneingeschränkte hedonistische Feier des Daseins auch unter jenen wirbt, die bereits ein fortgeschrittenes Alter er- reicht haben: »Wer tanzt, denkt gerade nicht ans Sterben / Und der pfeift auf Kummer und Bedenken / Es ist zu spät, um umzuschwenken / Wozu denn noch den Blutdruck senken? / Es gibt kein Morgen, es gibt kein Gestern / Und kein Zehnerl für die Erben / Greisinnen und Greise schwofen froh im Kreise / Urahninnen und -ahnen drehen ihre Bahnen / Sie tanzen mit Wonne – Senioren der Sonne«.
Manchmal bringen die beiden Coconamis bei ihren Auftritten auch den Ferdl Schuster mit, bei dem es sich um ein bayerisches Original handelt, einen schnauzbärtigen Typen im Trachtenjanker, der bis vor Kurzem im Münchner Stadtteil Haidhausen ein Wirtshaus betrieb. Da gab es zum Weißbier Sushi und Frühlingsrollen.