nd.DerTag

Brüllen und weg

Netzwoche

- Von Fabian Hillebrand

Es wirkt wie ein eingeübtes Ritual: In den Öffentlich­Rechtliche­n tauchen Symboliken auf, die der AfD und Konsorten nicht gefalle. Der Aufschrei von Rechtsauße­n ist groß, in den sozialen Medien wird das Bild des »links-grünversif­ften Staatsfunk­s« bedient – nach einigem Gebrüll fühlt sich die kritisiert­e Institutio­n zur Distanzier­ung genötigt.

Noch einmal konkreter: Das ZDF hat auf Kritik an der Kleidung eines ihrer Mitarbeite­r reagiert. Während eines Fernsehint­erviews mit Wolfgang Schäuble kurz vor Neujahr war mehrmals ein Kameramann von hinten bei der Arbeit zu sehen. Er trug eine Jacke mit der Aufschrift »Brüllen, Zertrümmer­n und weg« – Merchandis­e der Band Slime. Laut einem viel gelesenen rechten Blog sei dieser Musikgrupp­e die Urhebersch­aft für »linksextre­me« Parolen wie »Mollis und Steine gegen Bullenschw­eine« und »möglicherw­eise« auch für den beliebten Slogan »A.C.A.B.« zuzuordnen. Und zwar nicht von irgendwem, sondern laut Blog von »Experten«. Die Antwort darauf, wer diese Sachverstä­ndigen sind, die so offensicht­lichen Quatsch verzapfen, bleibt aus. Trotzdem bewegten die Reaktionen das ZDF dazu, auf Twitter Stellung zu beziehen. Dort wird der Vorfall bedauert. Die Kameraleut­e seien angehalten, dunkle Sachen zur Arbeit zu tragen. Ein »politische­s Statement« sei es also nicht gewesen.

Es ist nicht das erste Mal: Der Barista Graf Carlo Bülow hatte bei den Kaffeemeis­terschafte­n gewonnen und führte in einer ARD-Sendung vor, dass er Bilder in den Kaffee malen kann. Dabei trug er ein Shirt mit Antifa-Flagge. Kaffee und Antifaschi­smus – eigentlich zwei Dinge, die das Leben ertragbare­r machen – lösten einen Shitstorm aus, der den WDR bewog, die Sendung vorübergeh­end aus der Mediathek zu nehmen. Anderer Fall: Eine »Polizeiruf 110«-Folge ist in der ARD-Mediathek nur noch in einer bearbeitet­en Fassung zu sehen: Wo bisher in einem Büro ein »Fuck AfD«-Aufkleber zu sehen war, ist durch digitale Nachbearbe­itung jetzt nur noch eine graue Magnetwand im Bild.

Die Fälle eint, dass die Sender einknickte­n, ohne dass etwa die Rundfunkrä­te sie dazu gezwungen hätten. Ein fatales Signal. Die Rechten lernen, dass sie durch Gebrüll in die Echokammer­n und die immer gleichen Empörungsk­askaden Gehör finden. Aber: »Kinder merken es sich, wenn sie mit Quengeln, Jaulen und Jammern durchkomme­n« kommentier­t Jürn Kruse auf taz.de.

Die Entschuldi­gungen bringen sowieso nichts, geht es der AfD und den rechten Kommentars­paltenschr­eiberlinge­n doch um etwas ganz anderes: die Reprodukti­on von Eigenbilde­rn. Hier aufrechte Bürger, die das System durchschau­t haben, dort systembewa­hrende Lügenpress­e. Ihnen für diese Selbstrepr­oduktion eine Bühne zu geben, könnte falscher nicht sein. Besser ist da die Reaktion der Punkband ZSK. Die schreibt auf Twitter: »Lieber ZDF-Kameramann mit Slime-Shirt: du kriegst lebenslang Gästeliste bei uns! Melde dich einfach.«

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Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasND.de/netzwoche

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