»Wir wollen am WM-Gefühl basteln«
Die deutschen Handballer stimmen sich bei den letzten Testspielen auf das Heimturnier ein. Zwei von ihnen dürfen danach nicht mit nach Berlin
Kurz vor der Heim-WM proben die deutschen Handballer den Ernstfall. Die letzten beiden Testspiele gegen Tschechien und Argentinien bilden das Finale im teaminternen Kader-Casting.
Ekstatische Fans, ausverkaufte Arenen und der Kampf um die letzten WM-Tickets: Allein die Gedanken ans »WM-Vorglühen« zauberten Uwe Gensheimer schon ein Lächeln ins Gesicht. »Man hat Bilder im Kopf, wie die Zuschauer die schwarz-rot-goldenen Klatschpappen in der Hand haben und gemeinsam die Hymne singen«, sagte der Kapitän der deutschen Handballer eine Woche vor dem Auftakt der Heim-Weltmeisterschaften.
An diesem Freitag (16.15 Uhr, ARD) gegen Tschechien und am Sonntag gegen Argentinien proben Gensheimer und Co. schon mal den Ernstfall, und nicht nur der Weltklasse-Linksaußen spürt Lust auf den Länderspiel-Doppelpack. »Je näher das Turnier kommt, desto heißer werden wir«, sagte auch Torhüter Silvio Heinevetter.
Für Bundestrainer Christian Prokop kommen die beiden Spiele vor jeweils mehr als 10 000 Zuschauern gerade recht. »Diese Spiele werden zu 100 Prozent gespielt«, versicherte Prokop am Donnerstag im Teamhotel in Hamburg: »Wir wollen weiter an unserem WM-Gefühl basteln und diese Spielen dazu nutzen, mit einem guten Gefühl Richtung Berlin zu reisen.« Dort wird das deutsche Team am 10. Januar gegen Südkorea die WM eröffnen.
Die Partie gegen den EM-Sechsten Tschechien in Hannover ist der erste Teil im großen Casting-Finale. 16 von 18 lautet die Formel in Prokops Personalpuzzle, das er Sonntagabend nach der Generalprobe in Kiel endgültig zusammensetzen will. Natürlich habe er bereits bestimmte Ge-
dankengänge durchgespielt, verriet Prokop. Zum einen sei es »eine Leistungsentscheidung«, vorrangiges Ziel sei es aber, »als Mannschaft die größte Stärke einzubringen«.
Große Überraschungen wie vor der EM im vergangenen Jahr, als Prokop Abwehrchef Finn Lemke kurzfristig aus dem Kader schmiss und so für einen Sturm der Entrüstung sorgte, dürfte es diesmal allerdings nicht geben. Auf der Kippe stehen die möglichen Turnierdebütanten Franz Semper (SC DHfK Leipzig) und Tim Suton (TBV Lemgo), es könnte aber auch ein prominenteres »Opfer« wie den Berliner Paul Drux oder Europameister Tobias Reichmann erwischen.
»Jeder möchte sich zeigen und beweisen«, beschrieb Gensheimer die momentane Situation: »Klar ist das in der Mannschaft auch mal ein Thema. Man philosophiert untereinander und würde gern in den Kopf des Trainers reinschauen.« Es sei aber »eine schwierige Entscheidung«, bei der er nicht mit Prokop tauschen möchte.
Bei allem Rätseln über den WMKader, mit dem es am Dienstag nach Berlin gehen wird, dürften die beiden bevorstehenden Partien aber vor allem einen stimmungsvollen Vorgeschmack auf die deutschen WM-Spiele in Berlin (Vorrunde), wahrscheinlich Köln (Hauptrunde) und eventuell Hamburg (Halbfinale) geben.
Selbst Heiner Brand hat inzwischen das WM-Fieber gepackt, der Weltmeistertrainer von 2007 traut der aktuellen Mannschaft den ganz großen Wurf zu. »Alles ist möglich. Es gibt derzeit keine Ausnahmemannschaft im Welthandball. Sie haben die Möglichkeiten, jede Mannschaft zu schlagen«, sagte Brand. Die Handballikone betonte allerdings, dass das Turnier (10. bis 27. Januar) »kein Selbstläufer« werde. Der 66-Jährige hofft zunächst einmal auf eine ähnliche Stimmung wie beim Wintermärchen vor zwölf Jahren. »Das ist sicherlich möglich. Es hängt aber natürlich vom Abschneiden und dem Auftreten der deutschen Mannschaft ab«, sagte Brand, der 1978 auch als Spieler Weltmeister geworden war.
»Jeder möchte sich zeigen und beweisen. Man würde gern in den Kopf des Trainers reinschauen.« Kapitän Uwe Gensheimer