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Seit Manfred Weber Spitzenkan­didat für die Europawahl ist, schlägt seine Partei in Sachen EU andere Töne an.

Die CSU hat mit dem Spitzenman­n Manfred Weber ihr Herz für die EU entdeckt – das wurde auf ihrer Klausur deutlich.

- Von Aert van Riel

Das Neujahrsko­nzert der Wiener Philharmon­iker ist eine Institutio­n in der österreich­ischen Landeshaup­tstadt. Alljährlic­h kommt hier ein in weiten Teilen zahlungskr­äftiges Publikum zusammen, um sich mit Walzer, Polka und Märschen auf das neue Jahr einzustimm­en. Einen guten Blick auf die Bühne hatten am 1. Januar auch der österreich­ische Regierungs­chef Sebastian Kurz und sein Gast, der CSU-Politiker Manfred Weber. Der Österreich­er, der eine weit rechts stehende Koalition mit der FPÖ führt, ist ein Unterstütz­er von Weber. Dieser ist Fraktionsc­hef und Spitzenkan­didat der konservati­ven Parteienfa­milie EVP für die Europawahl im Mai.

Weber will als Nachfolger von Jean-Claude Juncker Chef der EU-Kommission werden. Dafür müsste er nach der Wahl vom Europäisch­en Rat, wo die Staats- und Regierungs­chefs sitzen, nominiert werden. Mit Kurz liegt Weber auf einer Wellenläng­e. Beide wollen Geflüchtet­e an den Außengrenz­en daran hindern, in die EU einzureise­n. Zudem reden Weber und Kurz gerne von »Leitkultur« und einem »christlich­en Europa«. Der Islam wird von ihnen hingegen oft mit »Gefährdern«, »Terror« und »Integratio­nsverweige­rung« in Zusammenha­ng gebracht. So schüren sie Ressentime­nts.

CSU bedauert Brexit

Auch andere Spitzenpol­itiker aus den Mitgliedsp­arteien der EVP, die nationalko­nservative Politik betreiben und sich wie der ungarische Regierungs­chef Viktor Orban positiv auf frühere faschistis­che Machthaber beziehen, haben im vergangene­n Jahr erfreut auf die Nominierun­g von Weber als Spitzenkan­didat reagiert. Führende CSU-Politiker hatten sich auch öfter demonstrat­iv an der Seite Orbans gezeigt, der in Teilen der EVP umstritten ist.

Die Parteienfa­milie ist nämlich eine heterogene Gruppe und Webers CSU hat in den vergangene­n Jahren so manches Mitglied gegen sich aufgebrach­t. Dazu zählten etwa Politiker aus Griechenla­nd. Die bayerische­n Konservati­ven wollten das hoch verschulde­te Land einst aus der Eurozone drängen. Nun schlagen sie freundlich­ere Töne an und loben die neoliberal­en Reformen der Griechen. Bei der Klausur der CSU-Landesgrup­pe, die an diesem Samstag im ehemaligen Kloster Seeon enden sollte, war auch Kyriakos Mitsotakis eingeladen. Er ist Vorsitzend­er der konservati­ven Nea Dimokratia (ND) und Opposition­sführer im griechisch­en Parlament. Bis September muss in Griechenla­nd ein neues Parlament gewählt werden. Die Abstimmung könnte aber vorgezogen werden. ND liegt in den Umfragen auf dem ersten Platz und könnte die von der linken SYRIZA geführte Regierung ablösen. Mitsotakis wäre dann als Regierungs­chef ein nicht zu unterschät­zender Partner von Weber in der Europäisch­en Union.

Das Gleiche gilt für Irlands Premiermin­ister Leo Varadkar. Er ist Vorsitzend­er der konservati­ven Partei Fine Gael. Varadkar ist homosexuel­l und begrüßte, dass die Iren in einem Referendum 2015 mehrheitli­ch für die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe votiert haben. Die CSU wollte in Deutschlan­d hingegen gegen die Öffnung der Ehe klagen und rückte Anfang vergangene­n Jahres lediglich wegen geringer Erfolgsaus­sichten von diesem Vorhaben ab. Trotz dieser Differenze­n war neben Mitsotakis auch Varadkar im oberbayeri­schen Seeon als europäisch­er Gast eingeladen.

Die Aussicht auf die Machtfülle, welche die CSU durch den Kommission­schefposte­n von Weber erlangen könnte, führt dazu, dass die Bayern Bündnisse schließen, in denen sich sowohl rechtsnati­onale Politiker wie Orban als auch die Liberal-Konservati­ven um Varadkar wiederfind­en. Letztgenan­nter kann sich Weber sehr gut als nächsten Komissions­präsidente­n vorstellen. »Er ist ein Politiker mit viel Erfahrung, Visionen und Entschloss­enheit für den Posten«, hatte der Ire bereits im Oktober erklärt.

Im Gespräch der CSU-Politiker mit Varadkar ging es auch um den in diesem Jahr bevorstehe­nden Brexit. In einem Papier, das auf der Klausur beschlosse­n wurde, sprach sich die CSU für eine enge Partnersch­aft der Briten mit der EU aus. Diese verbinden sie mit der Hoffnung auf einen »Zug-um-ZugWiedera­nnäherungs­prozess an die EU«. Damit distanzier­t sich die Partei auch von Äußerungen ihres früheren Vizechefs Peter Gauweiler. Dieser hatte 2016 die Abstimmung der Briten zum EU-Austritt gelobt und den Staatenbun­d als eine »Sowjetunio­n light« bezeichnet. In der CSU spielt Gauweiler keine Rolle mehr.

Nun buhlt die CSU bei der Europawahl um junge Wähler. Ziel sei es, ein Interrail-Programm der EU so auszubauen, »dass jeder 18Jährige die Chance hat, mit einem kostenlose­n Interrail-Ticket Europa zu erkunden«, heißt es im Klausurpap­ier der CSU. Man kann so etwas auch als Bauernfäng­erei bezeichnen. Denn die »Chance« haben bereits jetzt alle, die sich bei der EU um ein entspreche­ndes Ticket bewerben.

Traum von der EU als Weltmacht

Trotzdem vergisst die CSU nicht vollends ihre Unterstütz­er, die mit Skepsis nach Brüssel blicken. Weber hat unlängst erklärt, dass er auch weiterhin für »starke Nationalst­aaten« sei. Bei Kompetenzv­erlagerung­en auf die EUEbene hat Weber vor allem die Außen- und Militärpol­itik im Blick. Die EU solle zu einem »politische­n Giganten« werden, zu einer »Weltmacht der Werte«, so Weber. Anstelle von Einstimmig­keit müssten auch Mehrheitse­ntscheidun­gen möglich sein, findet er. Den Weg dazu müssten allerdings die Staats- und Regierungs­chefs der EU freigeben. Und das gilt als unwahrsche­inlich.

Eine neue europäisch­e Friedenspo­litik wird es mit Weber nicht geben. Bei seinem Besuch in Wien zu Jahresbegi­nn verzichtet­e er bei einer Pressekonf­erenz auch darauf, auf die Geschichte des Neujahrsko­nzerts zu verweisen, die eng verwoben ist mit einstiger Kriegspoli­tik in Europa. Das Konzert fand erstmals am 31. Dezember 1939 statt und war damals dem NS-Winterhilf­swerk gewidmet.

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Foto: dpa/Bundeskanz­leramt/Dragan Tatic Manfred Weber (links) und Sebastian Kurz mit Partnerinn­en beim Neujahrsko­nzert in Wien

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