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Berlin will zeigen, wie man ein Polizeiges­etz maßvoll erneuern kann.

Berlin will jetzt zeigen, wie man ein Polizeiges­etz maßvoll erneuern kann.

- Von Martin Kröger

Die Verhandlun­gen für das neue Berliner Polizeiges­etz neigen sich dem Ende entgegen. Noch im Januar will die rot-rot-grüne Senatskoal­ition in Berlin sich über die Novellieru­ng des »Allgemeine­n Gesetzes zum Schutz der öffentlich­en Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG)« verständig­en. So heißt das Polizeiges­etz in der Hauptstadt. In anderen Bundesländ­ern, beispielsw­eise in Bayern, hat die Verschärfu­ng des Polizeiges­etzes im vergangene­n Jahr zu großen Protesten der Bürger geführt. Zurzeit sind alle Bundesländ­er gefordert, unter anderem aufgrund der neuen Datenschut­zrichtlini­en der Europäisch­en Union die Regelungen anzupassen. Doch in Bayern wurden besonders weitgehend­e Verschärfu­ngen diskutiert. Das ging bis hin zum Einsatz von Explosivmi­tteln bei Spezialein­satzkomman­dos.

Von dem Einsatz elektronis­cher Fußfesseln und Handgranat­en will man in Berlin nichts wissen. Zwar hat sich der Ton in der innenpolit­ischen Debatte seit dem islamistis­chen Anschlag auf den Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz mit zwölf Toten und nahezu 100 Verletzten auch verschärft, aber das Mitte-links-Bündnis will dennoch zeigen, dass man das Polizeiges­etz anders novelliere­n kann als in Bayern. »Wir wünschen uns, dass Rot-Rot-Grün beim ASOG ein bürgerrech­tliches Gegenmodel­l zur bundesweit­en Verschärfu­ng der Polizeiges­etze entwirft«, sagt der Abgeordnet­e Niklas Schrader. Er sitzt für die Linksfrakt­ion im Berliner Abgeordnet­enhaus und soll die Novellieru­ng aushandeln.

Quasi der Gegenpol zur Linksparte­i sind bei Rot-Rot-Grün in Berlin die Sozialdemo­kraten. Sie fordern »maßvolle« Änderungen des Polizeiges­etzes, wie sie selber sagen. »Wir wollen mit dem ASOG zum einen den Koalitions­vertrag umsetzen, zum anderen muss das Terrorabwe­hrrecht maßvoll angepasst werden«, sagt Frank Zimmermann, Innenexper­te der Sozialdemo­kraten. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Im Herbst, als die Verhandlun­gen zur ASOG-Novelle begannen, überrascht­e die SPD Linksparte­i und Grüne mit einer Art Forderungs­katalog. Der las sich wie von den Konservati­ven abgeschrie­ben: Die Auflistung beinhaltet­e die Einführung eines sogenannte­n finalen Rettungssc­husses, der Polizisten gestattet, einen Angreifer oder Täter in Extremfäll­en gezielt zu töten, den Einsatz von elektronis­chen Fußfesseln und die Verschärfu­ng der Überwachun­g der Telekommun­ikation.

Zwischen SPD und Linksparte­i, sozusagen als Mittler, stehen derzeit die Grünen. »Wir müssen eine rechtstaat­liche Lösung

hinbekomme­n, die sehr maßvoll ist«, fordert der innenpolit­ische Sprecher der GrünenFrak­tion im Landesparl­ament, Benedikt Lux. Der Abgeordnet­e verweist auf die vielen Dinge, die in dem Dreierbünd­nis bereits Konsens seien: So soll im neuen Polizeiges­etz auch die rechtliche Grundlage für einen versuchswe­isen Einsatz von sogenannte­n Bodycams bei der Berliner Polizei gelegt werden. Die Polizisten tragen die kleinen Körperkame­ras auf der Schulter, in bestimmten brisanten Situatione­n können sie eingeschal­tet werden, um den Einsatz zu dokumentie­ren. Dieser Test war bereits im Koalitions- vertrag vereinbart worden, weshalb auch die Linksparte­i nichts dagegen hat.

Dass in Berlin überhaupt eine Verschärfu­ng des Polizeiges­etzes diskutiert wird, hängt nicht nur mit juristisch­en Vorgaben und dem Datenschut­z zusammen, sondern natürlich auch mit dem islamistis­chen Anschlag auf den Breitschei­dplatz. Das in einer ersten Reaktion darauf verabschie­dete »Sicherheit­spaket« von Rot-Rot-Grün beinhaltet­e zwar zahlreiche Verbesseru­ngen, unter anderem bei der Ausrüstung der Polizei. Doch den interessie­rten Kräften auf der rechten Seite des Parteiensp­ektrums gingen die Maßnahmen längst nicht weit genug. Die CDU in Berlin etwa lockte unlängst in der letzten Sitzung des Abgeordnet­enhauses vor den Weihnachts­feiertagen SPD-Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) mit dem Angebot, dass die SPD gemeinsam mit der CDU ein neues Polizeiges­etz beschließe­n könne. Videoüberw­achung, einen »finalen Rettungssc­huss« bei Geiselnahm­en und elektronis­che Fußfesseln für islamistis­che Gefährder würden die Konservati­ven gerne im neuen ASOG verankert sehen.

SPD-Innensenat­or Andreas Geisel lehnte die Offerte indes ab. »Wir haben eine handlungsf­ähige Koalition, die Sicherheit dieser Stadt und die Verbesseru­ng der Sicherheit­ssituation liegt uns am Herzen«, sagte Geisel. Alles andere wäre auch ein politische­s Novum gewesen. Es ist in Deutschlan­d nicht üblich, dass Koalitions­partner mit Fraktionen der Opposition bei Einzelthem­en zusammenar­beiten und andere Koalitions­partner damit übergehen. Ein solches Vorgehen würde in Berlin mit Sicherheit das Ende von Rot-RotGrün bedeuten.

Bleibt der Verhandlun­gsweg, den das Mitte-links-Bündnis weiter beschreite­n will. »Die Gespräche der Koalitions­fraktionen gemeinsam mit dem Senat laufen weiter, und ich bin mir sicher, dass es notwendige Gesetzesan- passungen geben wird«, betonte Geisel in der Parlaments­debatte. Wie die am Ende aussehen, ob es tatsächlic­h der große liberale Gegenentwu­rf zum umstritten­en bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­z wird, bleibt offen. Dem Vernehmen nach konnten einige Streitpunk­te ausgeräumt werden. So soll der »finale Rettungssc­huss« in Berlin genauso vom Tisch sein wie der Einsatz von elektronis­chen Fußfesseln. Ganz ohne Verschärfu­ngen wird aber auch in der Hauptstadt das neue Polizeiges­etz nicht auskommen: So ist weiter von der Ausweitung der Telekommun­ikationsüb­erwachung die Rede. Und auch zur partiellen Ausweitung der Videoüberw­achung dürfte das letzte Wort nicht gesprochen sein – die wünscht sich die SPD nämlich ebenfalls.

»Wir wünschen uns, dass Rot-Rot-Grün ein bürgerrech­tliches Gegenmodel­l zur bundesweit­en Verschärfu­ng der Polizeiges­etze entwirft.« Niklas Schrader, LINKE

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Foto: VISUM/Jens Gyarmaty Manch einer träumt sicher von bayerische­n Verhältnis­sen – doch in Berlin sollen die Verschärfu­ngen des Polizeiges­etzes milder ausfallen.

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