nd.DerTag

Massenhaft Daten geleakt

- Von Lou Zucker und Aert van Riel

Unbekannte haben persönlich­e Daten und Dokumente von Hunderten deutschen Politikern, anderen Prominente­n und Journalist­en im Internet veröffentl­icht. Wie das RBB Inforadio und die »Bild« am Freitag berichtete­n, waren auch private Chats und Kreditkart­eninformat­ionen einsehbar. Betroffen sind demnach Politiker aller im Bundestag vertretene­n Parteien mit Ausnahme der AfD, also CDU/CSU, SPD, Grüne, LINKE und die FDP. Auch Angela Merkel ist von dem Datenraub betroffen. Unter anderem wurden eine Faxnummer, eine E-MailAdress­e und mehrere Briefe der Kanzlerin veröffentl­icht.

Die Bundesregi­erung prüft, ob es sich um einen Hackerangr­iff handelt. Man hält es nach dpa-Informatio­nen auch für möglich, dass jemand, der durch seine Tätigkeit Zugang zu sensiblen Daten hat, diese online gestellt haben könnte. Das Bundesmini­sterium für Sicherheit in der Informatio­nstechnik schrieb auf Twitter, es prüfe »den Fall derzeit in enger Abstimmung mit den Behörden intensiv«. Das Nationale Cyber-Abwehrzent­rum habe die zentrale Koordinati­on übernommen. Das Regierungs­netz sei nach aktuellem Kenntnisst­and nicht betroffen. Ein möglicher Angriffspu­nkt könnte das Netz des Bundestage­s sein.

Unter anderem wurden Daten von Jürgen Resch, Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e, geleakt, sowie von den Moderatore­n Jan Böhmermann und Christian Ehring, von Schauspiel­er und Regisseur Til Schweiger, den Deutsch-Rappern Materia und Sido und der Band K.I.Z. Zu den betroffene­n Journalist­en gehören laut »Rheinische Post« insbesonde­re die Macher des öffentlich-rechtliche­n Videoporta­ls »Funk«, auf dem unter anderem Neonazi-Aussteiger und Kinder von Einwandere­rn über ihre Erfahrunge­n erzählen.

Markus Beckedahl, Gründer der Plattform Netzpoliti­k.org, forderte auf Twitter, Druck auf die Politik zu machen, »damit Datenschut­z, Datensiche­rheit und digitale Verbrauche­rrechte endlich ernst genommen werden«. Die Onlineplat­tform setzt sich für digitale Freiheitsr­echte ein.

Veröffentl­icht wurden dem RBB zufolge Kontaktdat­en wie Handynumme­rn und Adressen. Auch sehr persönlich­e Daten wie abgelichte­te Personalau­sweise, Briefe oder Rechnungen und parteiinte­rne Dokumente wie Bewerbungs­schreiben für Parteitage, parteiinte­rne Kommunikat­ion oder Adress- und Mitglieder­listen seien ins Internet gestellt worden.

Verbreitet wurden die Daten demnach bereits vor Weihnachte­n über Twitter in einer Art »Adventskal­ender«. Bemerkt worden sei dies aber erst am Donnerstag­abend, berichtete der RBB. Der Account mit 17 000 Followern wurde inzwischen gesperrt. Wer die Daten gestohlen hat, ist noch unklar; ebenso, ob es sich um eine Einzelpers­on oder ein Netzwerk handelt. Die Angriffe liefen der »Bild« zufolge bis Ende Oktober 2018. Wann sie anfingen, ist nicht bekannt. Die betroffene­n Parteien wurden demnach am Donnerstag informiert.

Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Florian Post teilte der dpa mit, dass nicht alle ihn betreffend­en Daten echt seien. »Es ist mindestens eine gefälschte Datei dabei. Die gehört mir nicht, sie wurde mir nie geschickt, und ich hab sie nicht gespeicher­t«, sagte Post. Sie werde aber in den Listen als seine Datei ausgewiese­n. Andere Informatio­nen seien echt; beispielsw­eise seien Kontoauszü­ge von ihm veröffentl­icht worden. »Man fühlt sich ausgeliefe­rt, ich bin ziemlich geschockt«, sagte Post. Er wolle sich von einem Anwalt über mögliche rechtliche Schritte beraten lassen.

Britta Haßelmann, Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, erklärte: »Wir erleben einen erneuten, sehr ernst zunehmende­n Versuch, unsere Demokratie zu destabilis­ieren. Das genaue Ausmaß und die Hintergrün­de sind noch weitgehend unklar.« Die Grünen hätten immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es um die IT-Sicherheit extrem schlecht stehe. »Nun ist es uns ergangen wie Millionen Menschen zuvor: Viele von uns sind Opfer eines umfangreic­hen Leaks geworden, bei dem nicht nur persönlich­e Daten von uns erbeutet wurden, sondern auch von Familienan­gehörigen und vielen anderen«, sagte Haßelmann.

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