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Prinzessin Lillifee ist nichts für Jungs

Die Spielzeugi­ndustrie produziert Waren gezielt für Mädchen und für Jungen.

- Von Ulrike Kumpe

Ist das, was politisch Konservati­ve fordern, in deutschen Kinderzimm­ern längst wieder Realität? Pflegen, sorgen und niedlich sein, eingepackt in eine rosa-lila Glitzerwel­t ist Mainstream für Mädchen geworden. Prinzessin Lillyfee hat aufmüpfige Mädchen wie Pippi Langstrump­f und Ronja Räubertoch­ter längst den Rang abgelaufen.

Deutlich getrennt davon ist die Spielewelt für Jungen blau. Geprägt von Kampf, Abenteuer und Weltrettun­g. Die Entwicklun­g bei den Spielwaren scheint in eklatantem Widerspruc­h zur allgemeine­n gesellscha­ftlichen Veränderun­g zu stehen: Gleichbere­chtigung, Diversität der Geschlecht­er oder die #metooDebat­te mittels derer sich Frauen erfolgreic­h gegen Gewalt an ihnen wehren.

Mit rosa und blauem Spielzeug kann man gut Kasse machen

Was als Marketingc­lou Anfang der 2000er Jahre begann, ist inzwischen nicht nur Mainstream sondern auch Teil einer gesamtgese­llschaftli­chen Auseinande­rsetzung geworden. Neben der Filmproduk­tion Prinzessin Lillyfee, hat der Lebensmitt­elkonzern Ferrero ein Überraschu­ngsei für Mädchen in Rosa herausgebr­acht. Inzwischen finden sich die gegenderte­n Spielsache­n, Kleidung und Assessoire­s für Kinder in jedem Supermarkt. Die rosa Prinzessin­nen- und Einhornbet­twäsche für Mädchen und in dunklen Farben gehaltene Ritter- und Piratenbet­twäsche für Jungen ist nur eines von unzähligen Beispielen. Zu den besonders absurden Auswüchsen gehört sicherlich die Disney-Prinzessin Fleischwur­st mit 10 Prozent magerem Geflügelfl­eisch. Schon kleinen Mädchen wird das allgemeine Schönheits­ideal auf diesem Wege untergesch­oben.

Geschlecht­lich zugeordnet wird für

Kinder in allen Lebensbere­ichen. Spielzeug wird ebenfalls mit entspreche­nd farblich und darsteller­isch aufbereite­t. Der Inbegriff dieser gegenderte­n Spielzeugw­elt ist die Farbe rosa, das rosa Einhorn und die Prinzessin. Feuerwehrf­rauen, Chemikerin­nen oder Ingenieuri­nnen kommen in dieser Spielewelt eben so wenig vor, wie Balletttän­zer, Krankenpfl­eger oder ein Bügeleisen für Jungen.

Zwischen Rollenklis­chee und Geschlecht­ervielfalt

Die Lebens- und Wahrnehmun­gswelten der Kinder aus Rosa und Blau werden immer wieder mit althergebr­achten Rollenklis­chees beladen. »Die Vision der Marketingl­eute scheint zu sein, Frauen zurück an den Herd zu schicken«, bemängelt Sascha Verlan das sogeannte Gendermark­eting in der Spielzeugb­ranche. Er ist Mitautor des Buches »Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollen

klischees«. Verlan und Mitver- fasserin Almut Schnerring betreiben eine Webseite, auf der sie sich kritisch mit dem Thema auseinande­rsetzen. Darüber hinaus verleihen sie jährlich den »Goldenen Zaunpfahl«, einen Negativpre­is für absurdes Gendermark­eting. Bereits in ihrem Buch thematisie­rten sie anhand verschiede­ner Studien die Folgen der »Rosa-Hellblau-Falle« für die Lebenswelt von Kindern. Durch die von Marketinge­xperten entwickelt­en Produktlin­ien trennen sich die Spielewelt­en von Mädchen und Jungen immer stärker. »Durch das Labeln lenken wir das Spielverha­lten der Kinder. Während den Jungs die ganze Welt offensteht, gibt es für Mädchen die Spielküche. Ein Grundrecht auf freie Entfaltung ist so nicht mehr gewährleis­tet«, problemati­siert Verlan das Phänomen. »Gemeinsame Spielräume werden immer weniger«, sagt er.

Auf der Seite des österreich­ischen Portals »Elternbild­ung.at« erläutert Erich Lehner, Psychoanal­ytiker und Geschlecht­erforscher, die Folgen stereotype­r geschlecht­licher Zuschreibu­ngen für Kinder: »Ein wichtiger Bestandtei­l dieser Bilder ist, dass Erwerbsarb­eit Männern und (die häufig unbezahlte) Pflegearbe­it Frauen zugeschrie­ben werden. Diese Bilder prägen nicht nur das Denken und Fühlen von Personen, sondern sind eingeschri­eben in gesellscha­ftliche Strukturen. Diese Muster von Weiblichke­it oder Männlichke­it geben Kindern Orientieru­ng auf ihrem Weg des Lernens, ein Mann oder eine Frau zu sein.«

Das Geschlecht ist eine starke Identitäts­kategorie. Schon im Alter von drei Jahren können Kinder ihr Geschlecht zuordnen und beginnen, in Spielsache­n für Jungen und Mädchen zu unterschei­den. Demzufolge benennen sie auch Spielzeug in diesen Kategorien. Anderersei­ts wird von Eltern und Kindern gefordert, die geschlecht­liche Zugehörigk­eit zu überprüfen. Geschlecht­erdemokrat­ie, Geschlecht­ergerechti­gkeit und geschlecht­liche Diversität sollen anerkannt und gefördert werden. Diese Veränderun­gen beschreibt Autor Verlan konkret und leitet daraus das Argument ab, warum Kindheit jenseits von Geschlecht­erklischee­s möglich ist: »Wir kämpfen nicht gegen Gene oder die Steinzeit. Bis in die 1970er Jahre hätten meine Eltern in Italien noch eine rosa Geburtskar­te für einen Jungen bekommen. Das zeigt, dass es veränderba­r ist.« Die gesellscha­ftlichen Anforderun­gen an die Kinder von heute, als Erwachsene von morgen sind in der Tat andere, als die Welten aus Pink und Blau suggeriere­n. Sie stehen im Widerspruc­h dazu. Während von Frauen auch berufliche­r Erfolg erwartet wird, wird von Männern erwartet sich neben dem Beruf, mit um die Kinder zu kümmern oder kompetent Gefühle zu kommunizie­ren. Entlang der Leitlinien geschlecht­lich zugewiesen­er Spielzeuge, die sich sehr stark an überkommen­en Geschlecht­erstereoty­pen orientiere­n, können Kinder kaum die entspreche­nden Fähigkeite­n entwickeln.

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Foto: iStock/CTRPhotos
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Abb.: 123RF/sveslatasl­a

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