BRIEFE AN DIE REDAKTION
»Und wir lieben die Heimat, die schöne«
Zu »Ein brutales Gefühl«, 29./30.12. S. 9; online: dasND.de/1108905 Missbrauchen kann man alles. Wer »Heimat« für faschistisch hält, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Heimat ist ein Gebiet, wo man sich wohlfühlt, das einem vertraut ist. Durch natürliche und gesellschaftliche, auch private Katastrophen kann einem die vertraute Umgebung feindlich oder abstoßend werden. Die Grenzen seines Wohlfühlbereiches bestimmt jeder selbst; das ist willkürlich und wandelbar, eine seelisch-soziale Definition. Man kann stolz sein auf das, was man selbst erreicht hat, aber nicht auf ein Land. Der Heimatbegriff dient doch nur dazu, das rechte Gedankengut schön zu verkleiden. Dennoch: Man kann schon von Heimat reden, darf die Heimat aber nicht den rechten Kräften und Parteien überlassen. Heimat benennt das Gegenteil eines Zustandes, in dem Menschen aus ihrem gewohnten Lebensraum, ihren Wohn- und Arbeitsverhältnissen gedrängt werden. Sie ist auch das Gegenteil der globalisierten Einheitslandschaft mit auswechselbaren Wohnsiedlungen, Gewerbegebieten, Verkehrswegen und verarmten Naturräumen. Es gibt vielfältige Motive von Menschen, ihre jeweilige Heimat vor diesen gleichmachenden und zerstörerischen Eingriffen zu bewahren. Das wundervolle Lied »Unsre Heimat«, in dem diese als schützenswert benannt ist, fasst es, obwohl unter anderen gesellschaftlichen Verhältnissen entstanden, in noch heute gültige Worte. Der Neoliberalismus hat so vielen Menschen ihre Würde genommen. Nun wollen wir Linken ihnen noch eine der wenigen Rückzugsmöglichkeiten – Halt oder Trost, das Heimatgefühl – verbieten, nur weil die Rechten es missbrauchen? Das ist eine Garantie dafür, dass wir die, die uns am meisten brauchen, am sichersten abstoßen. Viel Erfolg! Unser Heimatverein Reichenbrand e. V. wurde 1993 gegründet, bietet jeden Monat interessante Vorträge, organisiert Exkursionen. Wir geben alle zwei Jahre die Beiträge zur Heimatgeschichte heraus, die vom Chemnitzer Geschichtsverein anerkannt sind. Zum 1. Mai findet hier das Maibaumsetzen statt. Wir achten darauf, dass keine Partei dominiert. Begriffe wie »Heimatverein« oberflächlich zu verwenden, kann zu falschen Schlussfolgerungen führen. Und alle Heimatvereine in die rechte Schublade zu stecken, ist nicht möglich. Nicht jeder, der eine Lederhose trägt, ist ein Nazi oder wer braune Schuhe anhat, ein Rechter. Ich kann Herrn Mense aber verstehen, weil der Begriff »Heimat« vereinnahmt wird. Das haben aber schon die Nationalsozialisten mit dem Begriff Sozialisten getan. Das Thema Heimat ist also mit der AfD aufgekommen und wird rechts eingeordnet ... Dann, Herr Mense, erklären Sie mir doch mal bitte, ob nun in der DDR alle nur Rechte waren oder ob es purer Zufall ist, dass wir in der Schule Heimatkunde als Schulfach hatten. Nur heimatlose Linke scheinen wohl »richtige« Linke zu sein. Nachdem nun zum wiederholten Male das Ideal der Heimatlosigkeit gepredigt wird, sollte auch einmal Platz für die Klarstellung von Kurt Tucholsky zu diesem Thema sein (»Heimat«, 1929). Er steht mir jedenfalls noch immer näher als die moderne, nur scheinbar linke Anbetung der Heimatlosigkeit. Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktionellen Meinungsäußerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.