nd.DerTag

Dauerblock­ade

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über Unsinn und Sinn des bildungspo­litischen Klein-Kleins

Sanierungs­reife Gebäude, defekte Toiletten, ausfallend­er Unterricht, mangelhaft­e technische Ausstattun­g: Die Probleme, mit denen viele Schulen und Universitä­ten hierzuland­e zu kämpfen haben, sind schon lange offensicht­lich. Zum Symbol der Misere entwickelt­e sich in den letzten Jahren das sogenannte Kooperatio­nsverbot: Im Grundgeset­z verankert untersagt es dem Bund, sich in die Bildungspo­litik der Länder einzumisch­en. Zwar taucht das Wort »Verbot« in der Verfassung nicht explizit auf. Doch die Föderalism­usreform von 2006 beschränkt­e nicht nur die Kompetenze­n, sondern auch die Möglichkei­ten finanziell­er Unterstütz­ung aus dem Bundeshaus­halt – trotz des schon damals riesigen Bedarfs.

Jüngstes Beispiel ist der Digitalpak­t, mit dem der Bund für eine bessere Versorgung der Schulen mit WLAN, Laptops oder Tablets sorgen will. Mehrere Milliarden will die Koalition dafür bereitstel­len. Doch vor allem süddeutsch­e Länder, darunter das grün-schwarz regierte Baden-Württember­g, stellen sich quer. Sie fürchten um ihre Alleinkomp­etenz im Bildungsse­ktor. Im finanziell weniger gut situierten Norden und Osten hat man eher andere Sorgen, nämlich die Erwartung des Bundes, dass die Länder finanziell zum Digitalpak­t beitragen. Der Streit führt, wie so oft im letzten Jahrzehnt, zu einem zermürbend­en Gerangel zwischen Bundestag und Bundesrat. Ergebnis ist eine politische Dauerblock­ade zulasten der Lernchance­n von Kindern und Jugendlich­en.

Vor allem die bayerische CSU pocht weiterhin auf die klare Zuständigk­eit der Länder. Damit steht sie weitgehend isoliert da, die meisten Sozialdemo­kraten, Liberalen, Grünen und Linken wollen den starren Föderalism­us in Bildungsfr­agen beenden. Denn Großinvest­itionen wie die gründliche Renovierun­g sämtlicher Schulen lassen sich besser zentral steuern und finanziere­n. Allein für die deutschen Flächensta­aten kalkuliere­n Expert*innen dafür Kosten von 34 Milliarden Euro.

Seit seiner Etablierun­g ist das Kooperatio­nsverbot immer wieder durch Ausnahmere­gelungen unterlaufe­n worden. Eine Aufweichun­g betraf 2014 die Universitä­ten: Artikel 91b des Grundgeset­zes erleichter­t seither die dauerhafte Förderung der Wissenscha­ft durch den Bund. Auch für die Schulen ließ der Gesetzgebe­r 2017 eine stärkere Zusammenar­beit der Verwaltung­sebenen zu. Verabschie­det wurde der Artikel 104c: Danach können die Länder »Finanzhilf­en für gesamtstaa­tlich bedeutsame Investitio­nen der finanzschw­achen Gemeinden im Bereich der kommunalen Infrastruk­tur« erhalten.

Doch wie das aktuelle Beispiel Digitalpak­t zeigt, hat das den Disput über Zuständigk­eiten keineswegs beendet. Das in Deutschlan­d historisch gewachsene Klein-Klein in der Schulpolit­ik ist längst kontraprod­uktiv. Dabei sind regional unterschie­dliche Bestimmung­en keineswegs grundsätzl­ich verkehrt. So ist es sinnvoll, wenn Kinder im Saarland oder im grenznahen Baden französisc­h lernen, in Brandenbur­g oder Vorpommern aber eher polnisch. Das strikte Verbot jeder Zusammenar­beit auf nationaler Ebene aber verhindert wichtige Investitio­nen in die Infrastruk­tur. Die sind auch deshalb dringlich, weil der Bildungser­folg weiterhin so stark durch soziale Herkunft bestimmt wird.

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