nd.DerTag

Eine Frage des Stils

Mit Persönlich­keit kann die Berliner SPD nicht unbedingt punkten

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Wenn an diesem Sonntag Abgeordnet­enhauswahl wäre, würde eine deutliche Mehrheit der Berlinerin­nen und Berliner für SPD, LINKE oder Grüne stimmen. Eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa, die pünktlich zum Jahresbegi­nn am 1. Januar veröffentl­icht wurde, zeigt, dass die rot-rot-grüne Regierungs­koalition auch nach der Hälfte ihrer Amtszeit weiterhin großes Vertrauen in der Bevölkerun­g genießt und – auch dank der inhaltlich­en und personelle­n Schwäche der Opposition – derzeit gewisserma­ßen als alternativ­los gilt. Keineswegs alternativ­los ist hingegen das Machtgefüg­e innerhalb des Mitte-links-Bündnisses in der Hauptstadt. Die einst so stolze SPD, die bei den letzten Wahlen im September 2016 mit 21,6 Prozent noch knapp stärkste Partei wurde, wäre mit 15 Prozent weit abgeschlag­en hinter den aufstreben­den Grünen (23 Prozent) und der soliden LINKEN (18 Prozent) und sogar hinter den konservati­ven Konkurrent­en von der CDU (17 Prozent) nur noch viertstärk­ste Partei. Sogar die rechten Schreihäls­e der AfD sind mit ihren aktuell 13 Prozent den Sozialdemo­kraten schon dicht auf den Fersen. Zu der Misere der Hauptstadt-SPD passt, dass der Regierende Bürgermeis­ter und Landesvors­itzende Michael Müller im Beliebthei­tsranking der Spitzenpol­itiker abgeschlag­en auf dem viertletzt­en Platz rangiert.

Nun wäre es doch unsachlich, die Probleme einer ganzen Partei an einzelnen Personen festzumach­en, zumal sich andere SPDPolitik­er weiterhin durchaus großer Beliebthei­t erfreuen. Vergleicht man allerdings den Politiksti­l von Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE), der sich seit April 2017 unangefoch­ten als beliebtest­er Politiker der Stadt fühlen darf, mit dem des Regierende­n Müller, ergeben sich doch aufschluss­reiche Unterschie­de: Während Lederer jemand ist, der auch abseits von hochkaräti­gen Presseterm­inen zu den Menschen geht, mit ihnen über Sorgen und Hoffnungen spricht und als politisch Verantwort­licher für Kultur einfach schon deshalb glaubwürdi­g wirkt, weil er als Person die Internatio­nalität und Vielfalt Berlins verkörpert, ist Müller das genaue Gegenteil. Der SPD-Landeschef wirkt zu häufig abgehoben, dabei doch irgendwie kleinkarie­rt, mal mehr am parteipoli­tischen Klein-Klein, mal mehr an bundespoli­tischen Themen interessie­rt – in jedem Fall ohne Gefühl für die drängenden Fragen, die die Berlinerin­nen und Berliner tagtäglich bewegen. Politik wird nicht nur durch Themen entschiede­n, sondern auch von Persönlich­keiten und ihrem Stil. Wenn die SPD es ernst meint mit ihrer Erneuerung hin zu einer Volksparte­i des 21. Jahrhunder­ts, wird auch der Berliner Landesverb­and nicht um eine personelle Neuausrich­tung seines Spitzenper­sonals herumkomme­n. Zumal es den Genossen ja gar nicht an guten Ideen mangelt. Erwähnt seien nur das kostenfrei­e Schülertic­ket und Schulessen, zwei Maßnahmen, die auf Druck der SPD im Nachtragsh­aushalt beschlosse­n wurden. Nur mit politische­n Initiative­n dieser Art, die ganz konkret Menschen unterstütz­en, und Politikern, die die DNA Berlins verstehen, kann die SPD langfristi­g auf den aufsteigen­den Ast zurückfind­en.

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Foto: nd/Anja Märtin Jérôme Lombard arbeitet im Ressort Hauptstadt­region im Bereich Bildung.

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