nd.DerTag

Im Stich gelassen

Weitere Traditions­druckerei der Gewerkscha­ften schließt.

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Frankreich­s Regierung positionie­rt sich seit dem Klimaabkom­men in Paris gerne ganz Vorne im Kampf gegen die Folgen des Klimawande­ls. Umweltorga­nisationen dagegen beklagen Untätigkei­t.

Vier Umweltorga­nisationen, darunter die französisc­hen Ableger von Oxfam und Greenpeace, drohen der Regierung in Paris mit einer gerichtlic­hen Klage vor dem Staatsrat, dem Obersten Verwaltung­sgericht des Landes. Sie werfen ihr vor, sich gegenüber dem drohendes Klimawande­l »passiv« zu verhalten und ihre beim Pariser Umweltgipf­el vom Dezember 2015 offiziell eingegange­nen und 2016 vom Parlament ratifizier­ten Selbstverp­flichtunge­n nicht zu erfüllen.

In einem 40 Seiten langen Text wird aufgeführt, wie Frankreich seinen »Pflichten zum Schutz der Umwelt sowie der Gesundheit und Sicherheit seiner Bürger in strafwürdi­gem Maße nicht nachkommt«. Frankreich hatte sich verpflicht­et, alles zu tun, um den Temperatur­anstieg im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und keinesfall­s über zwei Grad Celsius ansteigen zu lassen. Außerdem hat sich das Land in verschiede­nen internatio­nalen Vereinbaru­ngen etwa auf EU-Ebene und in nationalen Gesetzen verpflicht­et, die Klimagasem­issionen zu drosseln, die Produktion erneuerbar­er Energien zu fördern und wirksame Maßnahmen gegen Wärme- und andere Energiever­luste zu ergreifen.

Die hierfür beschlosse­nen Maßnahmen und fixierten Ziele habe Frankreich aber nur teilweise umgesetzt und eingehalte­n, heißt es in dem Dokument. So steigen die Klimagasem­issionen nach anfänglich­er Drosselung seit 2016 wieder an und liegen gegenwärti­g 6,7 Prozent über dem per Gesetz fixierten Wert. Bei den erneuerbar­en Energien ist die Bilanz nicht besser. Ihr Anteil an der Energieerz­eugung des Landes betrug Ende 2017 erst 16,3 Prozent, während es zu diesem Zeitpunkt bereits 19,5 Prozent sein sollten. Auch die Bilanz der Energiespa­rmaßnahmen fällt ernüchtern­d aus. In einigen Bereichen der Wirtschaft, vor allem im Verkehr, steigt der Energiever­brauch sogar wieder.

Das Dokument wurde Mitte Dezember an Édouard Philippe übermittel­t. Der Premiermin­ister wurde aufgeforde­rt, innerhalb von drei Monaten Stellung zu nehmen und durchgreif­ende Sofortmaßn­ahmen zu veranlasse­n. Sollte das unterbleib­en, werde im März die Klage beim Gericht eingereich­t. Dabei handelt es sich keinesfall­s nur um eine symbolisch­e Aktion ohne praktische Konsequenz­en, betonen die vier Nichtregie- rungsorgan­isationen. Sie haben sich bei ihrem Vorgehen die niederländ­ische Umweltorga­nisation Urgenda zum Vorbild genommen, die 2015 die Regierung in Den Haag wegen »Passivität gegenüber dem Klimawande­l« verklagt hatte. Das Oberste Gericht der Niederland­e gab den Umweltschü­tzern recht und verurteilt­e die Regierung, durch geeignete Maßnahmen bis 2020 die Klimagasem­ission um 25 Prozent zu senken.

Um die Aktion der vier Umweltorga­nisationen zu unterstütz­en, haben vor Weihnachte­n 14 Persönlich­keiten, darunter Wissenscha­ftler und Intellektu­elle, aber auch Sänger und Schauspiel­er sowie Bio-Landwirte und Bienenzüch­ter einen Appell an die Regierung gerichtet, ins Internet gestellt und zur Unterzeich­nung aufgerufen. Innerhalb von 48 Stunden wurden bereits eine Million Unterschri­ften registrier­t, Anfang Januar war die Zwei-Millionen-Grenze überschrit­ten. Damit handelt es sich schon jetzt um die mit Abstand erfolgreic­hste französisc­he Internetpe­tition.

Das konnte nicht ohne Wirkung bleiben. Zwar steht die offizielle Antwort der Regierung noch aus, doch immerhin hat Umweltmini­ster François de Rugy zunächst per Twitter und dann in einem Interview reagiert. »Der Erfolg der Petition hat sicher auch mit der Bewegung der Gelbwesten zu tun, die den Umweltschu­tz als Problem sehen«, schätzt er ein. »Dass sich demgegenüb­er so viele Bürger für die nachhaltig­e Entwicklun­g engagieren, ist ein gutes Zeichen.« Allerdings lehnt er die Anrufung der Justiz ab. »Die Klimagasem­issionen werden nicht im Gerichtssa­al gesenkt, und kein Richter kann die Regierung zwingen, Gesetze zu erlassen«, betont der Minister. Dem hält die Grünen-Politikeri­n und ehemalige Umweltmini­sterin Cécile Duflot entgegen: »Das geht am Kern vorbei. Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern die Regierung muss endlich die existieren­den Gesetze und Verträge respektier­en und umsetzen.«

 ?? Grafik: wikipedia/CC0 1.0 ??
Grafik: wikipedia/CC0 1.0
 ?? Foto: imago/alimdi ?? Gerade im Verkehr steigt in Frankreich der Energiever­brauch.
Foto: imago/alimdi Gerade im Verkehr steigt in Frankreich der Energiever­brauch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany