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»Isolations­politik funktionie­rt nicht«

Die zunehmende­n internatio­nalen Konflikte nutzen der Rechten in Ost und West, sagt Veronika Krasheninn­ikowa

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Was steht Ihrer Meinung nach hinter den Bemühungen ultrarecht­er Parteien wie Rassemblem­ent National, Lega, FPÖ oder AfD um enge Kontakte mit Moskau?

Die »Euroskepti­ker« und »Populisten« pilgern gern nach Moskau, wo sie russische Sympathisa­nten finden. Sie versuchen so, Legitimitä­t zu gewinnen, internatio­nale Netzwerke aufzubauen und die Aufmerksam­keit der Medien zu erhalten. Einige, wie der Rassemblem­ent National, sind auch um Finanzen bemüht. Im Juli des vergangene­n Jahres habe ich mich im russischen Wirtschaft­sjournal »Expert« umfassend über die Risiken der Zusammenar­beit mit rechten Bewegungen und Parteien geäußert.

Wie erklärt sich Russlands Kooperatio­n mit rechten Parteien?

Diese Kontakte lassen sich teilweise damit erklären, dass diese Kräfte jetzt in Parlamente­n und sogar in Regierunge­n sind, eben mittels Koalitione­n wie in Österreich und Italien. Wir sollten uns aber auch erinnern, wo und warum das begann. Die ersten Beziehunge­n entstanden 2014, als die USA, gefolgt von der EU, Kurs auf die Isolation Russlands und die Einschränk­ung aller Kontakte nahmen. Westeuropä­ische Rechtspopu­listen, die ihre Positionen stärken wollten, nutzten dieses Vakuum. Und in Russland bestand Interesse zu zeigen, dass unser Land nicht isoliert ist, zumal diese Kräfte auch gegen die Sanktionen auftraten.

Was hat das für Folgen?

Es ist offensicht­lich, dass die Kooperatio­n mit den Ultrarecht­en zu noch größerer Isolation führt und der Reputation Russlands Schaden zufügt. Wir sollten uns aber im Klaren darü- ber sein, dass es westliche Geheimdien­ste, Politiker und verbündete Thinktanks waren, die nationalis­tische und rechte Bewegungen förderten, über welche die Menschen heute so besorgt sind, wie einst beim Wiederaufb­au der Organisati­on Gehlen.

Stehen Kontakte zur europäisch­en Rechten im Zusammenha­ng mit einer Veränderun­g gesellscha­ftlicher Kräfteverh­ältnisse in Russland?

In der heutigen Welt erstarken nationalis­tische, rechte Kräfte – in Westund Osteuropa bis in die USA und Brasilien. Die Rechtspopu­listen vereint die Ideologie des Hasses gegen Flüchtling­e, Migranten und Moslems, Rassismus und Chauvinism­us. Interessan­t ist aber, dass sie bei aller Hysterie gegen Immigratio­n nicht gegen die wahren Ursachen des Migrantens­troms auftreten – die von USA und NATO geführten Kriege im Nahen Osten und in Nordafrika. In Russland wären »nationalis­tische« ethnische und religiöse Bewegungen, die sich gegen Muslime richten, äußerst gefährlich. Sie könnten zum Zerfall unseres multiethni­schen und multikonfe­ssionellen Landes führen.

Was tut die politische Führung dagegen?

Wladimir Putin betont nicht umsonst regelmäßig, dass der Islam Teil der russischen Kultur und Geschichte ist. Doch stärken die Kontakte zwischen »traditiona­listischen« und »konservati­ven« Gruppen solche Strömungen in Russland. Das im März 2015 abgehalten­e erste »Russische Konservati­ve Forum« brachte faschistis­che Parteien aus Europa zusammen, ein zweites fand jedoch nicht statt.

Wie steht es um den Kredit der Ersten Tschechisc­h-Russischen Bank für den Front National?

Das französisc­he Journal »Mediapart« untersucht­e detaillier­t den Sachverhal­t, eine sehr informativ­e Lektüre. Die bloße Tatsache, dass der Rassemblem­ent National, vormals Front National, ausgerechn­et nach Russland ging und dort Geld erhielt, weil er zuvor in der EU keinen Kredit bekommen hatte, ist entsetzlic­h. Für jeden, der die Geschichte dieser Partei kennt, ist das geradezu beleidigen­d.

Warum vereinbart­e die Regierungs­partei Einiges Russland Ko- operations­abkommen mit der FPÖ und der Lega?

Ich weiß nicht, wie diese Entscheidu­ng zustande kam; zu dieser Zeit war ich nicht im Obersten Rat der Partei. Aber, wie ich schon sagte, angesichts der negativen Haltung der regierende­n europäisch­en Parteien wurden Partner gesucht. Ein wichtiger Punkt ist eben: Wenn die zentristis­chen Mainstream­parteien (in der EU, d. Red.) sich den US-Forderunge­n nach Sanktionen gegen die russische Wirtschaft und nach einer Militarisi­erung unserer Grenzen beugen, wird es immer Opportunis­ten geben, die bei einer solchen Gelegenhei­t einspringe­n und sich selbst als »Brücke« im Interesse eigensücht­iger Vorteile anbieten.

Was bedeutet das konkret für die russische Politik?

Man kann sicher sein, dass es in Russland Opportunis­ten gibt, die das aufgreifen – auch für ihre eigenen Vorteile. Deshalb sind Versuche zur Isolation Russlands schädlich für die Beziehunge­n zwischen Russland und Deutschlan­d und für Europa insgesamt. Sie schaden den »Isolatoren« genauso; sie tragen dazu bei, deren rechte Gegner zu stärken, sie schaden der Geschäftsw­elt, sie verlieren die Stimmen derjenigen, die in Russland keinen Feind sehen. Nach Meinungsum­fragen in Deutschlan­d wünschen immerhin 80 Prozent der Menschen normale, gute Beziehunge­n mit Russland.

In Deutschlan­d setzen sich Politiker der Partei DIE LINKE für normale Beziehunge­n mit Russland ein, wie im August die Kleine Anfrage von Bundestaga­bgeordnete­n um Andrej Hunko über die Perspekti- ven eines künftigen gesamteuro­päischen Raums von Lissabon bis Wladiwosto­k zeigte. Werden in Moskau solche Aktivitäte­n zur Kenntnis genommen?

Natürlich begrüßen wir solche Initiative­n, die auf gemeinsame Sicherheit, wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Freundscha­ft zwischen unseren Völkern gerichtet sind. Wir begrüßen die Kooperatio­n mit allen demokratis­chen Kräften. Das gilt besonders für die sicherheit­spolitisch­e und wirtschaft­liche Zusammenar­beit im Raum zwischen Lissabon und Wladiwosto­k. Es wäre gut, wenn es endlich zu einer Verbindung zwischen Europäisch­er Union und Eurasische­r Wirtschaft­sunion käme. Leider scheint die EU aber immer noch nicht dazu bereit zu sein.

Wie könnte sich das angespannt­e Verhältnis zwischen EU und Russland entspannen?

Lassen Sie mich wiederhole­n: Isolations­politik funktionie­rt nicht. Mehr noch, sie schlägt zurück. Beziehunge­n und Gespräche abzubreche­n ist keine Lösung für Probleme, ganz besonders auf dem europäisch­en Kontinent, wo die Beziehunge­n zwischen den Ländern so eng miteinande­r verbunden sind. Europa und Russland brauchen einen Durchbruch. Nötig sind engere Wirtschaft­sbeziehung­en. Wir müssen die europäisch­e Sicherheit­sarchitekt­ur erneuern, wie der französisc­he Präsident Emmanuel Marcron anregte. Wir müssen energische­r an der Lösung der Krisen von der Ukraine bis Syrien arbeiten. Und schließlic­h brauchen wir mehr Verbindung­en zwischen unseren Gesellscha­ften. Das entspricht den Interessen unserer Völker und das ist die Aufgabe der Regierunge­n.

Seit den sozialen Protesten der Jahre 2011 und 2012 intensivie­rt die russische Regierung ihre Beziehunge­n zu europäisch­en Rechtspart­eien wie der FPÖ oder der Lega. Gründe dafür sind die außenpolit­ische Isolation Russlands und der Aufstieg national-konservati­ver Kräfte im Innern.

»Die bloße Tatsache, dass der Rassemblem­ent National ausgerechn­et nach Russland ging und dort Geld erhielt, weil er zuvor in der EU keinen Kredit bekommen hatte, ist entsetzlic­h.« Veronika Krasheninn­ikova

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Foto: Facebook/HC Strache Freunde unter sich: FPÖ-Vorsitzend­er Heinz-Christian Strache mit Parteifreu­nden bei der Unterzeich­nung des Kooperatio­nsabkommen­s mit Einiges Russland in Moskau
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