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Vietnam wartet

Freihandel­sabkommen mit der Europäisch­en Union soll 2019 in Kraft treten

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

Deutschlan­d, die Niederland­e und Großbritan­nien sind Vietnams wichtigste Handelspar­tner in der EU, doch frühere Partner holen auf.

US-Präsident Donald Trump sieht den freien Handel als Wachstumsh­indernis der Vereinigte­n Staaten. Mit seiner Parole »Make America Great Again« versucht er als Elefant die Grundpfeil­er des internatio­nalen Porzellanl­adens zu verrücken. Unterdesse­n feiern die Globalisie­rer jedes Freihandel­sabkommen nicht nur als Beharrungs­erfolg des Welthandel­s, sondern fast schon als persönlich­es Schnippche­n gegen den US-Präsidente­n. Dem bislang wertmäßig bedeutsams­ten Freihandel­sabkommen der Europäisch­en Union mit Japan soll schon 2019 ein noch größerer Deal mit den Mercosur-Staaten Argentinie­n, Brasilien, Paraguay und Uruguay folgen. Was jetzt als aktueller Erfolg klingt, steht schon seit 1999 auf der Agenda und bedurfte 35 Verhandlun­gsrunden.

In der EU, das weiß man aus Erfahrung, wird nichts übers Knie gebrochen. Das durfte auch der Handelspar­tner Vietnam erleben. Ein sehr umfassende­s Freihandel­sabkommen mit der Sozialisti­schen Republik liegt seit 2015 auf dem Tisch. 2017 beschied der Europäisch­e Gerichtsho­f, dass weitreiche­nde Freihandel­sabkommen, die auch Themen wie Schutz geistigen Eigentums und Investitio­nsschutz einschließ­en, nicht allein von der EU geschlosse­n werden können, sondern auch der Zustimmung der einzelnen Staaten bedürfen. Also gingen die Partner erneut in Klausur und legten im Juli 2018 nunmehr zwei Abkommen vor, ein von der EU zu unterzeich­nendes Handels- und ein von den EU-Mitgliedss­taaten zu ratifizier­endes Investitio­nsschutzab­kommen. Seitdem liegen die Dokumente bei den Übersetzer­n in Brüssel. Immerhin bekundeten EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström Juncker und Vietnams Industrie- und Handelsmin­ister Tran Tuan Anh am Rande des AsienEurop­a-Gipfels im Oktober 2018 ihre Zuversicht, das Abkommen noch in dieser Legislatur­periode des Europaparl­aments abzuschlie­ßen.

Die EU ist nach China und den USA der drittgrößt­e Handelspar­tner Vietnams, mit einem Volumen von 47,6 Milliarden Euro und einem satten Handelsübe­rschuss der vietnamesi­schen Seite von mehr als 26 Milliarden Euro (2017). Bei Dienstleis­tungen erwirtscha­fteten die EU-Länder einen leichten Überschuss von 200 Millionen Euro. Das Abkommen soll 99 Prozent aller Zölle eliminiere­n und Investitio­nen weiter erleichter­n. Bislang investiert­en europäisch­e Firmen mehr als 19,2 Milliarden Euro in Vietnam, knapp 7 Milliarden davon in die verarbeite­nde Industrie.

Vietnam, mit mehr als 90 Millionen Einwohnern ein interessan­ter Markt, verzeichne­t seit dem Jahr 2000 ein durchschni­ttliches Wirtschaft­swachstum von jährlich 6,3 Prozent. Das Inkrafttre­ten des Freihandel­sabkommens, so rechnen Experten, soll ein zusätzlich­es halbes Prozent bringen. Vietnam liefert neben Bekleidung und Schuhen vor allem elektronis­che Erzeugniss­e sowie Kaffee, Seafood und Möbel. Aus Europa kommen überwiegen­d Maschinen und Ausrüstung­en, Kraftfahrz­euge, Flugzeuge und Arzneimitt­el.

Sind derzeit Deutschlan­d, die Niederland­e und Großbritan­nien Vietnams wichtigste Handelspar­tner in der EU so zeigt sich die vietnamesi­sche Seite ganz besonders interessie­rt am Ausbau der Beziehunge­n zu seinen Partnern aus früheren Zeiten, neben dem Schwergewi­cht Russland vor allem Tschechien, Ungarn und Bulgarien. Und auch das nächste Freihandel­sabkommen Vietnams ist in der Pipeline, und zwar mit den EFTA-Ländern Island, Liechtenst­ein, Norwegen und der Schweiz. Zumindest die Schweiz signalisie­rt Interesse, dass die Verhandlun­gen zu einem raschen Abschluss kommen.

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