Vietnam wartet
Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union soll 2019 in Kraft treten
Deutschland, die Niederlande und Großbritannien sind Vietnams wichtigste Handelspartner in der EU, doch frühere Partner holen auf.
US-Präsident Donald Trump sieht den freien Handel als Wachstumshindernis der Vereinigten Staaten. Mit seiner Parole »Make America Great Again« versucht er als Elefant die Grundpfeiler des internationalen Porzellanladens zu verrücken. Unterdessen feiern die Globalisierer jedes Freihandelsabkommen nicht nur als Beharrungserfolg des Welthandels, sondern fast schon als persönliches Schnippchen gegen den US-Präsidenten. Dem bislang wertmäßig bedeutsamsten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Japan soll schon 2019 ein noch größerer Deal mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay folgen. Was jetzt als aktueller Erfolg klingt, steht schon seit 1999 auf der Agenda und bedurfte 35 Verhandlungsrunden.
In der EU, das weiß man aus Erfahrung, wird nichts übers Knie gebrochen. Das durfte auch der Handelspartner Vietnam erleben. Ein sehr umfassendes Freihandelsabkommen mit der Sozialistischen Republik liegt seit 2015 auf dem Tisch. 2017 beschied der Europäische Gerichtshof, dass weitreichende Freihandelsabkommen, die auch Themen wie Schutz geistigen Eigentums und Investitionsschutz einschließen, nicht allein von der EU geschlossen werden können, sondern auch der Zustimmung der einzelnen Staaten bedürfen. Also gingen die Partner erneut in Klausur und legten im Juli 2018 nunmehr zwei Abkommen vor, ein von der EU zu unterzeichnendes Handels- und ein von den EU-Mitgliedsstaaten zu ratifizierendes Investitionsschutzabkommen. Seitdem liegen die Dokumente bei den Übersetzern in Brüssel. Immerhin bekundeten EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Juncker und Vietnams Industrie- und Handelsminister Tran Tuan Anh am Rande des AsienEuropa-Gipfels im Oktober 2018 ihre Zuversicht, das Abkommen noch in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments abzuschließen.
Die EU ist nach China und den USA der drittgrößte Handelspartner Vietnams, mit einem Volumen von 47,6 Milliarden Euro und einem satten Handelsüberschuss der vietnamesischen Seite von mehr als 26 Milliarden Euro (2017). Bei Dienstleistungen erwirtschafteten die EU-Länder einen leichten Überschuss von 200 Millionen Euro. Das Abkommen soll 99 Prozent aller Zölle eliminieren und Investitionen weiter erleichtern. Bislang investierten europäische Firmen mehr als 19,2 Milliarden Euro in Vietnam, knapp 7 Milliarden davon in die verarbeitende Industrie.
Vietnam, mit mehr als 90 Millionen Einwohnern ein interessanter Markt, verzeichnet seit dem Jahr 2000 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von jährlich 6,3 Prozent. Das Inkrafttreten des Freihandelsabkommens, so rechnen Experten, soll ein zusätzliches halbes Prozent bringen. Vietnam liefert neben Bekleidung und Schuhen vor allem elektronische Erzeugnisse sowie Kaffee, Seafood und Möbel. Aus Europa kommen überwiegend Maschinen und Ausrüstungen, Kraftfahrzeuge, Flugzeuge und Arzneimittel.
Sind derzeit Deutschland, die Niederlande und Großbritannien Vietnams wichtigste Handelspartner in der EU so zeigt sich die vietnamesische Seite ganz besonders interessiert am Ausbau der Beziehungen zu seinen Partnern aus früheren Zeiten, neben dem Schwergewicht Russland vor allem Tschechien, Ungarn und Bulgarien. Und auch das nächste Freihandelsabkommen Vietnams ist in der Pipeline, und zwar mit den EFTA-Ländern Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Zumindest die Schweiz signalisiert Interesse, dass die Verhandlungen zu einem raschen Abschluss kommen.