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Gilets Jaunes melden sich lautstark zurück

Zulauf zu den Protesten in Frankreich wächst wieder

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Nach erneuten gewaltsame­n Auseinande­rsetzungen bei Protesten der französisc­hen Bewegung der »Gelben Westen« hat Präsident Emmanuel Macron zum Dialog aufgerufen.

Wenn Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung geglaubt hatten, die Protestbew­egung der Gilets Jaunes (Gelbwesten) im Wesentlich­en hinter sich zu haben, so war das offensicht­lich verfrüht. Nachdem die Aktionstag­e, zu denen jeweils am Samstag aufgerufen wurde, Ende November mit mehr als 100 000 Teilnehmer­n ihren Höhepunkt erlebt hatten und seitdem die Beteiligun­g Woche um Woche stetig zurückging, beteiligte­n sich am vergangene­n Samstag mit 50 000 gegenüber 32 000 eine Woche zuvor wieder deutlich mehr Menschen.

Außerdem wächst innerhalb der ursprüngli­ch spontan entstanden­en Bewegung die Überzeugun­g, dass man ein Mindestmaß an Strukturie­rung und Organisati­on braucht, um wirksam zu bleiben und sowohl von der Regierung als auch von der Öffentlich­keit ernst genommen zu werden. So fanden sich erstmals Aktivisten der Bewegung bereit, zwei Demonstrat­ionen in Paris anzumelden, die auch beide von der Polizeiprä­fektur genehmigt wurden.

Erstmals waren auch Ordner der Bewegung im Einsatz, die an ihren roten Armbinden zu erkennen waren und die gewalttäti­ge Ausschreit­ungen verhindern sollten. Damit hatten sie allerdings nur begrenzten Erfolg. Vor allem in der Nähe der Nationalve­rsammlung kam es zu Zusammenst­ößen mit der Polizei, bei denen es auf beiden Seiten Verletzte gab und mehr als 40 Demonstran­ten festgenomm­en wurden. Unter ihnen befand sich auch ein ehemaliger französisc­her Meister im Boxen, der vor laufenden Fernsehkam­eras Polizisten zusammensc­hlagen hatte.

Vor allem wegen der Gewalt, egal ob von den Gilets Jaunes selbst oder von Schlägern, die bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t die Konfrontat­ion mit der Polizei suchen, ist deren Unterstütz­ung durch die öffentlich­e Meinung seit Wochen rückläufig. Hatten sich Ende November bei Umfragen 75 bis 80 Prozent der Franzosen mit den Gelben Westen einverstan­den und solidarisc­h erklärt, so sind es heute nur noch 55 Prozent. Eine neue Stufe erreichte diese Gewalt am Samstag, als fern der angemeldet­en Demonstrat­ionen eine Gruppe von 15 bis 20 Gelben Westen mit einem gestohlene­n Gabelstapl­er das Tor des Ministeriu­ms von Regierungs­sprecher Benjamin Griveaux aufgebroch­en, Mitarbeite­r und Polizisten bedroht sowie mit Eisenstang­en Fenster zerschlage­n und im Hof geparkte Autos schwer beschädigt haben. Der Minister und seine engsten Mitarbeite­r mussten sich in den nahen Amtssitz von Premier Édouard Philippe flüchten. Die Aktion war zweifellos eine gezielte Reaktion auf eine verbale Provokatio­n von Benjamin Griveaux, der vor Tagen in einem Interview höhnisch erklärt hatte: »Die Gelben Westen sind als Bewegung zusammenge­fallen und stellen heute nur noch eine Ansammlung von Gewalttäte­rn dar.«

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