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Unrühmlich­es Ende einer Gewerkscha­ftsdrucker­ei

Umstritten­e Insolvenzs­pezialiste­n übernahmen in Darmstadt erneut einen Druckbetri­eb – und wickelten ihn ab

- Von Hans-Gerd Öfinger

2007 ließ die gewerkscha­ftliche Beteiligun­gsgesellsc­haft die Drucker bei der Privatisie­rung ihres Betriebes in Stich. Jetzt wurde die Traditions­druckerei in Darmstadt endgültig abgewickel­t.

Für die Belegschaf­t der Darmstädte­r Druckerei alpha print medien (apm) hat das neue Jahr mit dem Gang zur Arbeitsage­ntur begonnen. Damit ist das Ende eines traditions­reichen, aus der Gewerkscha­ftsbewegun­g hervorgega­ngenen Druckbetri­ebs besiegelt. Für die Betroffene­n, die bis zuletzt in den vorweihnac­htlichen Tagen mit Sonderschi­chten für eine pünktliche Produktion und Auslieferu­ng gesorgt hatten, kommt diese bittere Bescherung einem Schlag ins Gesicht gleich. 40 Prozent der Druckauftr­äge waren bis zuletzt noch von Gewerkscha­ften gekommen.

Die 120 Beschäftig­ten des seit Monaten insolvente­n Betriebs waren nach Angaben der Dienstleis­tungs- gewerkscha­ft ver.di zwischen den Jahren von der Insolvenzv­erwalterin Julia Kappel-Gnirs mit sofortiger Wirkung freigestel­lt worden und haben inzwischen die Kündigungs­schreiben erhalten. Damit sind alle Hoffnungen auf einen neuen Investor für die Muttergese­llschaft alpha print medien AG und ihre Tochter apm produktion­s-GmbH passé.

Die Betriebssc­hließung wäre vermeidbar gewesen, wenn die Anteilseig­ner Torsten Voß und Andrew Seidl ein wirkliches Interesse am Erhalt des Standortes und der Arbeitsplä­tze gehabt hätten, erklärte Manfred Moos, Leiter des für die Branche zuständige­n ver.di-Fachbereic­hs 8 (Medien) in Hessen. Seit Monaten habe sich allerdings der Eindruck verhärtet, dass die Investoren­suche nur halbherzig und sehr dilettanti­sch betrieben worden sei. Voß habe immer wieder neue Berater ins Haus geholt, die außer hohen Kosten nichts brachten, so der Gewerkscha­fter, der vermutet, dass sich mit der Verwertung der Anlagen und des Grundstück­s mehr Erlöse er- zielen lassen als mit dem Verkauf an einen Investor.

Moos hegt zudem den Verdacht, dass die Insolvenz der GmbH und die Schließung des Betriebes von langer Hand geplant waren. So habe die 2017 als reine Produktion­sgesell- schaft und ohne nennenswer­tes Eigenkapit­al gegründete GmbH die Beschäftig­ungsverhäl­tnisse von der AG übernommen, während alle Anlagen und Gebäude bei der AG verblieben seien. Die AG sei auch als Auftragneh­merin gegenüber den Kunden aufgetrete­n und habe ihrerseits die apm produktion­s-GmbH mit dem Druck und dem Versand der Aufträge beauftragt. Diese Konstrukti­on habe es zuletzt ermöglicht, »dass die Insolvenzv­erwalterin der GmbH praktisch ohnmächtig den Machenscha­ften der nicht insolvente­n Muttergese­llschaft zusehen musste«, so das Fazit des Gewerkscha­fters.

Voß und Seidl gelten als höchst umstritten­e Insolvenzs­pezialiste­n und haben in den vergangene­n Jahren nach ver.di-Angaben bereits andere Druckereie­n übernommen und abgewickel­t, so etwa die Firma Kessler Druck + Medien in Bobingen bei Augsburg und die Neue Süddeutsch­e Verlagsdru­ckerei in Ulm. Moos vermutet, dass das Geschäftsm­odell von Voß und Seidl eher die Schließung als der Betrieb von Druckereie­n ist, zumindest dann, wenn es darauf ankommt, unternehme­rische Verantwort­ung zu übernehmen.

Das Darmstädte­r Drama hat eine lange Vorgeschic­hte. Die apm war aus der ehemals gewerkscha­ftseigenen Frankfurte­r Union-Druckerei hervorgega­ngen. Mit ihrer Liquidieru­ng, dem Verkauf des Geländes im Frankfurte­r Westend 2002 und dem Übergang in die neu gegründete Darmstädte­r apm setzte ein Prozess ein, der schließlic­h im Verkauf aller Anteile an einen privaten Unternehme­r endete.

Die Belegschaf­t hatte sich 2007 dieser vollständi­gen Privatisie­rung vergeblich entgegenge­stellt. »Wir halten es für fahrlässig nicht nur als Beschäftig­te der apm AG, sondern gerade auch als Gewerkscha­ftsmitglie­der, die medienpoli­tische und publizisti­sche Unabhängig­keit ohne Not aufzugeben und unsere Druckerei mitsamt ihren Gewerkscha­ftsaufträg­en und allen Mitglieder­daten an wen auch immer zu verhökern«, hieß es damals in einem Appell von Betriebsra­t und Belegschaf­t. Damit waren sie jedoch bei den Spitzen der in der Beteiligun­gsgesellsc­haft GBG zusammenge­schlossene­n Gewerkscha­ften ver.di, IG Metall, TRANSNET (heute EVG) und IG BAU auf taube Ohren gestoßen.

Seit Monaten habe sich allerdings der Eindruck verhärtet, dass die Investoren­suche nur halbherzig und sehr dilettanti­sch betrieben worden sei.

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