Mehr weiblichen Zorn, bitte!
Moritz Wichmann über Doppelstandards bei öffentlichen Auftritten
»Wir werden den Motherfucker seines Amtes entheben«, sagte die neue demokratische Kongressabgeordnete Rashida Tlaib über US-Präsident Donald Trump am Tag nach ihrer Vereidigung unter ohrenbetäubendem Jubel bei einer linken Veranstaltung. Das Video der Rede und das gewählte Schimpfwort sorgten am Wochenende nicht nur bei rechten Fernsehsendern für Empörung. Auch eher liberale Medien und andere Demokraten kritisierten Tlaibs Wortwahl als nicht angemessen.
Doch warum eigentlich? Die Politik Trumps rechtfertigt die Verwendung eines solchen Schimpfwortes in jedem Fall, und auch Trump selber flucht immer wieder öffentlich. Hinter der Reaktion auf Tlaibs Äußerung steht die alte Rollenvorstellung, Frauen müssten in der Öffentlichkeit ausgleichend, beherrscht, ja demütig auftreten. Für die »Anstandswauwaus« im US-Fernsehen – oft weiße Männer – war die Wortwahl der demokratischen Sozialistin und US-Palästinenserin Tlaib natürlich eine Provokation.
In den sozialen Medien waren die Reaktionen auf Tlaib vielfach anders: »Sie spricht aus, was alle denken.« Und genau dafür wurde Tlaib von ihrer demokratischen Basis im tief demokratischen Detroit auch gewählt – die Republikaner aggressiv anzugehen. Eigentlich ist es selbstverständlich: Auch Frauen dürfen fluchen, wenn nötig. Mehr weiblichen Zorn, bitte!