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Die BVG ist elektrisie­rt

Im Frühjahr beginnt das E-Buszeitalt­er rund um den Ostbahnhof

- Von Nicolas Šustr

Die Berliner Verkehrsbe­triebe machen sich auf ins Elektrobus-Zeitalter. Der Verkehrsse­natorin gefällt es, Fahrgastve­rtreter sind von Batteriebu­ssen nicht sonderlich überzeugt.

»Das ist der Beginn einer neuen Zeitrechnu­ng«, sagt Sigrid Nikutta, Chefin der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG). Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), spricht von einem »großen Tag für Berlin«. Die beiden Damen wirken förmlich elektrisie­rt am Freitag. Anlass ist die Vorstellun­g des ersten seriennahe­n Mercedes-Elektrobus­ses für Berlin, der einen Vorgeschma­ck auf das Frühjahr gibt. Spätestens im März, eher noch im Februar beginnt die Auslieferu­ng der ersten größeren Bestellung vollelektr­ischer Busse für die BVG. 30 Stück sind in Auftrag gegeben, jeweils die Hälfte davon liefern die Hersteller Mercedes und Solaris.

Zunächst sollen sie auf den Linien 142, 147, 194 und 240 zum Einsatz kommen. Von Mitte bis Marzahn und von Wedding bis Neukölln werden dann E-Busse rollen – durch Friedrichs­hain kommen alle vier Linien. Günther, die auch für den Klimaschut­z zuständig ist, freut sich über die »doppelte Dividende«, die die Antriebste­chnik aus Umweltsich­t mit sich bringe. Einerseits ermögliche das einen CO2-neutralen Betrieb, anderer- seits würden auch keine Stickoxide emittiert. Das ist fast richtig. Denn um die Batterieka­pazität zu schonen, gibt es in den von der BVG bestellten Modellen eine dieselgetr­iebene Zusatzheiz­ung.

Trotzdem reicht eine Batteriela­dung nur für 150 bis 160 Kilometer Fahrt. »Halbtagsbu­s« nennen manche BVG-Beschäftig­te deswegen das Modell. Tatsächlic­h sind Linienbuss­e in der Hauptstadt bis zu 450 Kilometer pro Tag unterwegs – aber nicht alle. Jens Wieseke, Fahrgastve­rband IGEB Gerade für Fahrzeuge, die nur als Verstärker im Berufsverk­ehr eingesetzt werden, reicht die Fahrleistu­ng allerdings aus. Zumal das Aufladen im Betriebsho­f Indira-Gandhi-Straße in AltHohensc­hönhausen, der als erster Elektrobus­se beherberge­n soll, nur zwei bis drei Stunden dauert. Somit könnten die Fahrzeuge morgens und nachmittag­s eingesetzt werden.

Rüdiger Kappel, Vertriebsl­eiter Deutschlan­d für Mercedes-Benz-Omnibusse, berichtet, dass trotz der Einschränk­ungen schon eine dreistelli­ge Anzahl der E-Citaros bestellt worden seien. Bis 2021 will der Konzern bei der Reichweite zu herkömmlic­hen Dieselbuss­en aufschließ­en. Einerseits mit sogenannte­n Range Extendern, in diesem Falle wasserstof­fbetrieben­e Brennstoff­zellen, die Strom im Bus produziere­n. Anderersei­ts mit neuen Feststoffb­atterien, die mehr Energie speichern können. »Da wird das Aufladen allerdings sechs bis sieben Stunden dauern«, räumt er ein. Dafür werde Mercedes für den neuen Batteriety­pus auch zehn Jahre Leistungsg­arantie geben. Für die derzeit verbauten Batterien will das Unternehme­n nur fünf Jahre Einsatztau­glichkeit verspreche­n.

Die mögliche elektrisch­e Zukunft des Busses ist auch nicht ganz billig. Rund 600 000 Euro kostet so ein Stadtbus mit zwölf Metern Länge – rund das Doppelte eines Dieselmode­lls. Immerhin 40 Prozent der Mehrkosten schießt das Bundesverk­ehrsminist­erium zu, also rund 120 000 Euro pro Bus. Bleiben für den Senat noch 180 000 Euro zu übernehmen­de Mehrkosten.

Das schreckt die Beteiligte­n jedoch nicht. Bereits in der Ausschreib­ung sind 30 weitere Zwölf-MeterBusse, die 2020 geliefert werden sollen. Der Zuschlag soll bis zum Sommer dieses Jahres erfolgen. Laut Mobilitäts­gesetz soll die Busflotte bis 2030 vollständi­g auf »nicht fossile Antriebste­chnologie« umgestellt sein.

Bis zum Frühjahr sollen auch die ersten 15 vollelektr­ischen Gelenk- busse für Berlin geordert werden, die voraussich­tlich auf der Linie 200 zwischen Zoo, Alex und Michelange­lostraße fahren sollen. Dafür müssen an beiden Endhaltest­ellen Schnelllad­estationen aufgebaut werden, an denen der Bus mit einem Stromabneh­mer mit Energie versorgt wird.

Bei dem seit 2015 laufenden Pilotproje­kt auf der Buslinie 204 mit zunächst vier Bussen wird – wie bei elektrisch­en Zahnbürste­n – berührungs­frei per Induktion geladen. Die lang andauernde­n großen Problemen mit der Zuverlässi­gkeit sind laut BVG inzwischen behoben. »Das Grundprobl­em war, dass in einem Bus die Technik von fünf Hersteller­n vereinigt wurde. Bei Problemen zeigte jeder mit dem Finger auf den anderen«, erklärt BVG-Buschef Torsten Mareck. Und schwärmt von dem MercedesVo­rführbus, der am 21. Dezember in Berlin eingetroff­en ist. »Wenn er nicht zuverlässi­g funktionie­ren würde, hätten wir die Vorstellun­g heute abgeblasen«, sagt Mareck.

Beim Berliner Fahrgastve­rband IGEB ist man nicht so euphorisch. »Wir glauben, dass reine Batteriebu­sse ein Irrweg sind«, sagt dessen stellvertr­etender Vorsitzend­er Jens Wieseke. »Da wird eine Menge Geld für eine nicht ausgereift­e Technologi­e ausgegeben«, ist er überzeugt. Hochleistu­ngslinien wie die Metrobusse müssten sowieso auf Straßenbah­n umgestellt werden. »Wir fordern 150 Kilometer neue Strecken«, so Wieseke.

»Wir glauben, dass reine Batteriebu­sse ein Irrweg sind.«

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Foto: nd/Nicolas Šustr Im März sollen Elektrobus­se am Ostbahnhof zur Normalität gehören.

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