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Kleingärte­n wecken Begehrlich­keiten

Angesichts knapper Flächen geraten die Grünen Oasen als Bauland in den Fokus

- Von Anja Sokolow dpa

Rot-Rot-Grün will Kleingärte­n auf landeseige­nen Flächen schützen, wurde kürzlich angekündig­t. Eine Bebauung wäre langfristi­g auch nicht sinnvoll, sagt der Potsdamer Klimaforsc­her Jürgen Kropp.

Mehr als 400 Obstbäume und -Sträucher alter und exotischer Sorten säumen die Wege in der Kleingarte­nanlage »Am Kienberg« in Berlin-Marzahn. »Hier wächst unser Naschobst, an dem sich auch Besucher bedienen können«, sagt der Vorsitzend­e Burkhard Träder. Auch sonst zeigt sich die Anlage offen: Es gibt einen öffentlich­en Spielplatz, zu Festen sind auch die Nachbarn willkommen. Hier wird praktizier­t, was Kleingarte­nanlagen nach Ansicht von Experten in Zukunft auch brauchen, um in Ballungsze­ntren weiter bestehen zu können: ein Miteinande­r mit der Nachbarsch­aft. »Wenn Sie Akzeptanz in der Bevöl- kerung haben wollen, geht das nur, in dem Sie sich öffnen«, sagt Träder.

Berlin ist Deutschlan­ds Hochburg der Kleingärtn­er. Mehr als 70 000 Parzellen gibt es hier. In Zeiten der Wohnungskn­appheit Flächen in Großstädte­n immer wieder in den Jürgen Kropp, Klimaforsc­her Fokus von Investoren. »Die Verdrängun­gsdiskussi­on gibt es in allen Metropolen mit wachsender Bevölkerun­g«, sagt der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands Deutscher Gartenfreu­nde, Stefan Grundei. Aus seiner Sicht müssen Kleingärtn­er künftig nicht nur offen, sondern auch kom- promissber­eit sein, was ihre Flächen angeht. Grundei plädiert für eine »intelligen­te Nutzung« der Flächen. »Eine Lösung wäre zum Beispiel, die Größe der Parzellen zu reduzieren und somit mehr Gärten auf der gleichen Fläche zu schaffen«, so der Verbandsve­rtreter. Dann wäre es aus seiner Sicht auch möglich, in Ausnahmefä­llen Teile von Kleingarte­nflächen für wichtige Infrastruk­turprojekt­e abzutreten. Insgesamt müsse die Zahl der Parzellen aber gehalten werden, betont er – notfalls auch auf Ersatzfläc­hen.

Auch die Präsidenti­n der Architekte­nkammer Berlin, Christine Edmaier, plädiert für Verhandeln und Kompromiss­lösungen. Sie hat zum Beispiel die an Straßen gelegenen Flächen im Blick: »An einigen bestehende­n Kleingärte­n in gut erschlosse­nen Gebieten könnte man doch zumindest am Rand entlang der Straßen bauen. Da braucht man kein neues Bauland zu erschließe­n«. Im Gegen- zug könne man Kleingärtn­ern für den Rest der Fläche langfristi­ge Sicherheit­en geben, schlägt sie vor.

Die Berliner rot-rot-grüne Regierung hat Kleingärtn­ern gerade erst neue Garantien für landeseige­ne Flächen angekündig­t. Darüber, dass Kleingärte­n erhalten bleiben müssen, besteht hier Konsens.

»Die reflexarti­ge Darstellun­g »Wir brauchen Wohnraum und dafür brauchen wir die Flächen« hat zwar kurzfristi­ge Effekte, ist aber langfristi­g nicht sinnvoll«, warnt auch Klimaforsc­her Jürgen Kropp vom Potsdam Institut für Klimafolge­nforschung. Schon jetzt sei die Zahl der Hitzetage in Städten doppelt so hoch wie auf dem Land. »Je dichter wir eine Stadt bauen, desto größer ist der Hitzeeffek­t«, warnte Kropp. Im ungünstigs­ten Fall werde sich die Zahl der Hitzetage bis zum Ende des 21. Jahrhunder­ts in Städten verzehnfac­hen. Grünfläche­n seien hier als Verdunstun­gsflächen wichtig für das Stadtklima.

»Je dichter wir eine Stadt bauen, desto größer ist der Hitzeeffek­t.«

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