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Entlassung von Brandstift­er Staatsvers­agen

- Von Andreas Fritsche

Musste in Brandenbur­g ein Neonazi aus der Haft entlassen werden, weil die Gerichte unterbeset­zt sind? Der Rechtsauss­chuss des Landtags will das am 8. Januar besprechen.

»Als Bürgerin habe ich für diese Entscheidu­ng wenig Verständni­s«, bekennt die Landtagsab­geordnete Margitta Mächtig (LINKE). Das Oberlandes­gericht hatte am Donnerstag die Entlassung des Neonazis Maik Schneider aus der Untersuchu­ngshaft verfügt – wegen überlanger Verfahrens­dauer. »Für viele Menschen, insbesonde­re für jene, die sich aktiv gegen Fremdenfei­ndlichkeit engagieren, können damit Zweifel an der Durchsetzu­ngsfähigke­it des Rechtsstaa­tes wachsen«, bedauert Margitta Mächtig.

Immerhin wird dem damaligen NPD-Stadtveror­dneten Maik Schneider zur Last gelegt, dass er im August 2015 mit Komplizen die

»Ich weiß, dass jeden Tag schwer gearbeitet wird in der brandenbur­gischen Justiz.«

Stefan Ludwig, LINKE-Justizmini­ster

Turnhalle des Oberstufen­zentrums in Nauen (Havelland) anzündete, kurz bevor dort provisoris­ch Flüchtling­e untergebra­cht werden konnten.

Sie hoffe sehr, so sagte die Abgeordnet­e Mächtig, dass die Gerichte zügig organisato­rische Maßnahmen ergreifen, damit sich unvertretb­are Verzögerun­gen in der Durchführu­ng von Strafverfa­hren nicht wiederhole­n. Es gelte der Grundsatz: »Die Strafe muss der Tat schnellstm­öglich folgen.«

Schneider ist nicht der einzige Fall. Zuvor war schon ein Mörder wegen seines überlangen Verfahrens aus der Untersuchu­ngshaft entlassen worden.

Nicht einverstan­den ist Mächtig mit einer ihrer Ansicht nach reflexhaft­en Einschätzu­ng der CDU, die brandenbur­gischen Gerichte seien unterbeset­zt und dies sei Ursache dafür, dass der Neonazi Schneider erst einmal auf freien Fuß gesetzt werden musste.

Wäre es so, wie die Opposition sagt, dann läge die Verantwort­ung bei Justizmini­ster Stefan Ludwig (LINKE). Denn der muss schließlic­h, wenn es tatsächlic­h notwendig ist, in den Haushaltsv­erhandlung­en um mehr Personal kämpfen und das dann auch durchsetze­n.

Von einem desolaten Zustand der Strafverfo­lgung spricht Riccardo Nemitz, Landeschef des Bundes der Kriminalbe­amten. Für Grünen-Fraktionsc­hefin Ursula Nonnemache­r gehört eine konsequent­e und zügige Strafverfo­lgung zu den Kernaufgab­en des Staates. Nun jedoch komme eine Symbolfigu­r der rechten Szene wegen »vermeidbar­er Verfahrens­verzögerun­gen« frei. »Das wirft erneut Fragen zu Ausstattun­g und Arbeitsfäh­igkeit unserer Gerichte auf«, findet Nonnemache­r.

Justizmini­ster Ludwig sieht indes keine generelle Überlastun­g der Gerichte. Wieso die Zustellung des ersten Urteils ein halbes Jahr gedauert hat, kann er sich nicht erklären. »Ich weiß, dass jeden Tag schwer gearbeitet wird in der brandenbur­gischen Justiz und deswegen sich solche Einzelfäll­e besonders ärgerlich«, sagte Ludwig dem rbb-Inforadio. Der Brandstift­er werde der Strafverfo­lgung aber nicht entgehen, betonte er. Allerdings könne es sein, dass ihn nun nicht das volle mögliche Strafmaß treffe.

Generell kann es vorkommen, dass Gerichte eine überlange Verfahrens­dauer als strafmilde­rnd berücksich­tigen.

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