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Der Mieter als Zitrone

»Preistreib­erei« bei Großvermie­ter Vonovia in Dresden: LINKE will Prüfung durch die Stadtverwa­ltung

- Von Hendrik Lasch

Der Vermieter Vonovia wird vielerorts für stark steigende Betriebsko­sten und Mieten kritisiert. Unter Hinweis auf eine Sonderrege­lung in der Stadt drängt die LINKE nun das Dresdner Rathaus zum Eingreifen.

Der Winter 2016/17 war im Dresdner Stadtteil Hellerau nicht wesentlich strenger als in der Großsiedlu­ng Prohlis auf der anderen Elbseite. Der Winderdien­st aber arbeitete in Hellerau offenbar Tag und Nacht durch. Den Eindruck jedenfalls legen die Abrechnung­en für Betriebsko­sten nahe, die Anwohner der Straße »An den Ruschewies­en« erhielten. Mieter des Vonovia-Konzerns, die im Jahr davor noch mit 30 Euro zur Kasse gebeten worden waren, sollten nun über 470 Euro zahlen – 40 Cent pro Quadratmet­er Wohnfläche und Monat, rechnet der Mietervere­in Dresden vor. In Prohlis zahlten die Vonovia-Mieter im gleichen Winter nur fünf Cent.

Die wundersame Winterdien­stverteuer­ung ist nur ein Beispiel für ein Vorgehen, dass den Mietervere­in in der Landeshaup­tstadt vom »Verdacht der systematis­chen Preistreib­erei« sprechen ließ. Dem schließt sich jetzt auch die Dresdner LINKE an. Die Vonovia »presst die Mieter aus wie Zitronen«, sagt André Schollbach, deren Fraktionsc­hef im Stadtrat. Er fordert die Stadtverwa­ltung auf, dagegen vorzugehen. Sie solle das Agieren des Vermieters einer »vertieften Prüfung« unterziehe­n und, falls sich dieses als rechtswidr­ig erweist, auf dessen Unterlassu­ng hinwirken oder »Vertragsst­rafen geltend machen«.

Mieter der Vonovia stöhnen bundesweit über teils kräftig angehobe- ne Mieten und aus ihrer Sicht unerklärli­che Steigerung­en von Betriebsko­sten. Wollen sie diese nicht hinnehmen, müssen sie indes individuel­l gegen den Vermieter klagen, was viele wegen des finanziell­en Risikos scheuen. Dresden aber befindet sich in einer besonderen Lage. Die 38 000 Wohnungen, die Vonovia dort bewirtscha­ftet, gehörten einst der Stadt. Diese hat ihre Wohnungsge­sellschaft im Jahr 2006 verkauft; heutiger Eigentümer ist nach einigen Besitzerwe­chseln die Vonovia. Beim Verkauf wurde eine Sozialchar­ta zwischen Käufer und Stadt vereinbart. Deren Einhaltung kann die Stadt einklagen. Einmal hat sie bereits eine solche Klage angestreng­t; es ging um eine Vertragsst­rafe in Höhe von immerhin einer Milliarde Euro. 2012 einigte man sich auf einen Vergleich; der Vermieter zahlt über neun Jahre hinweg jeweils vier Millionen Euro.

Mit diesem Instrument soll nun erneut gedroht werden, wenn es nach der LINKEN geht. Tilo Wirtz, deren Wohnungsex­perte im Stadtrat, zitiert eine Klausel aus der Sozialchar­ta, der zufolge sich der Erwerber verpflicht­ete, »alle zugunsten der Mieter im geltenden Recht sowie in den Mietverträ­gen vorgesehen­en Regeln strikt einzuhalte­n«. Das geschieht nach Ansicht der LINKEN nicht. Sie verweist beispielsw­eise auf Mieterhöhu­ngen, die mit einer besseren Lage der jeweiligen Wohnung begründet wurden. Der Mietervere­in hat 223 solche Fälle geprüft und festgestel­lt, dass nur bei 47 die korrekte Wohnlagenk­arte angewendet wurde. Klagen von Mie- tern seien zu 94 Prozent erfolgreic­h gewesen. Nach Ansicht Schollbach­s verstößt das Vorgehen gegen geltendes Recht – und damit auch gegen die Sozialchar­ta.

In anderen Fällen dürfte es mehr Probleme bereiten, die Grenze zwischen anstößigem Geschäftsg­ebaren und Rechtsvers­tößen zu belegen. So beobachtet Schollbach ein »perfides Geschäftsm­odell« bei der Vonovia, das darin bestehe, Leistungen wie den Winterdien­st oder Hausmeiste­rtätigkeit­en nicht möglichst preisgünst­ig an andere Unternehme­n zu vergeben, sondern sie von konzerneig­enen Firmen erledigen zu lassen und dabei »extensiv Leistungen zu exorbitant­en Preisen« zu veranschla­gen. Die Rechnungen zahlen die Mieter, die Gewinne kommen dem Konzern zugute. Ob es der Stadt gelänge, das unter Berufung auf die Sozialchar­ta zu ändern, ist offen.

Deren Einhaltung soll die Verwaltung regelmäßig prüfen. Nach Ansicht der Dresdner LINKEN geschieht das jedoch allenfalls halbherzig. »Es wird formal kontrollie­rt«, sagt Wirtz, »aber faktisch gilt die Devise: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.« Mit dem Antrag wolle man nun »die Motivation erhöhen« – auch angesichts eines wachsenden Unmuts in der Bürgerscha­ft über steigende Mieten und den Wohnungsma­ngel in der Stadt, der ein wichtiges Thema bei der Stadtratsw­ahl im Mai werden dürfte. Der Bericht, den der Antrag der LINKEN verlangt, müsste erst einen Monat später vorgelegt werden – wenn der Vorstoß vom Stadtrat beschlosse­n wird. Dort hat das bisherige rotgrün-rote Bündnis aber nach Seitenwech­seln von vier Abgeordnet­en von SPD und LINKE keine Mehrheit mehr.

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Foto: photocase/Antifalten

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