Die Hüter der Steine
Im Thüringer Landkreis Greiz sind bis zu 600 Jahre alte Schätze aus der Erde zu sehen
Im Thüringer Untergrund finden sich unterschiedliche Gesteine, aber auch Bodenschätze. Wer wissen will, was wo im Freistaat in der Tiefe zu finden ist, ist beim Geologischen Landesarchiv richtig.
Es sind imponierende Zahlen, die Hermann Huckriede parat hat: 215 000 laufende Meter Bohrkerne, die aus Tiefen von bis zu 2,7 Kilometern aus dem Boden geholt wurden. Ihre Bestandteile sind bis zu 600 Millionen Jahre alt. Aufbewahrt werden diese geologischen Schätze in einer Halle in Harth-Pöllnitz (Landkreis Greiz). Huckriede ist als Referatsleiter im Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz für das Geologische Probenarchiv Thüringen – so die offizielle Bezeichnung – zuständig.
Derzeit untersuchen hier Wissenschaftler der Friedrich-SchillerUniversität Jena, welche Möglichkeiten Thüringen zur Nutzung von Erdwärme bietet. Dazu testen sie auch die Wärmeleitfähigkeiten von Gesteinen in verschiedenen Regionen des Freistaats und greifen dafür auf die Sammlung zurück. Doch die Forscher aus Jena sind bei weitem nicht die einzigen, die die Bohrkerne und Gesteinsproben nutzen: »Geologen, Archäologen, Paläontologen, aber auch Wirtschaftsunternehmen unter anderem aus Kanada, Spanien, Südafrika und den USA waren in den letzten Jahren bei uns«, zählt Huckriede auf.
Aufgebaut wurde das Probenarchiv von 1992 an. 60 000 Meter Bohrkerne wurden aus Grobsdorf bei Gera übernommen, wo das Archiv der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft »Wismut« beheimatet war, weitere 43 000 Meter aus dem ehemaligen Bohrkernarchiv Bernau bei Berlin, das vom Zentralen Geologischen Institut der DDR und dem »VEB Erdöl-Erdgas« betrieben wurde. 2000 Meter kamen vom »VEB Geologische Forschung und Erkundung Freiberg, Betriebsteil Jena«, die zuletzt in Weimar gelagert worden waren.
Einige wenige Bohrkerne stammen aus den 1930er Jahren. Erst von den 1950er Jahren an ging es mit der Archivierung von Bohrkernen und Sammlungsstücken aus der damals sehr forcierten Suche nach Erzen und Erdöl richtig los, so der Referatsleiter. Er kann genau sagen, was wo gefunden wurde: »Aus der Grube Hühn im Landkreis Schmalkalden-Meiningen kommen Proben mit Flußspat und Schwerspat, aus Kamsdorf Eisen- und Kupfererze, in einer Forschungsbohrung aus Erfurt sind Steinsalze besonders gut zu untersuchen.« Einige Proben sind von besonderem wissenschaftlichem Interesse, so Ammoniten aus Eisenach, die in Thüringen selten sind.
Für die Geologen sind aber auch Proben bedeutsam, die bei den sogenannten Erdfällen in Tiefenort (Wartburgkreis) und Schmalkalden erbohrt wurden. Dort hatte sich aus dem Nichts die Erde aufgetan, waren große Erdeinbrüche zu sehen. »Da wollen die Forscher natürlich wissen, welche Bestandteile des Erdreichs weggelöst wurden, ob weitere Hohlräume entstanden sind, und wie man die Menschen dort vor möglichen weiteren Erdfällen schützen kann«, zählt Huckriede auf.
Die Bohrkerne sind in Holzkisten auf Paletten gestapelt, die je etwa 500 bis 600 Kilogramm wiegen; 2500 bis 3000 Tonnen Material lagern in Harth-Pöllnitz. In den vergangenen Jahren sind, so Huckriede, im Vergleich zu den 1990er Jahren weniger neue Bohrkerne hinzugekommen, da die großen Verkehrsinfrastrukturprojekte wie Autobahn- und ICE-Neubaustrecken abgeschlossen sind. »Wo immer gebohrt wird, muss die Bohrung angemeldet werden. Die Zuständigen sind verpflichtet, uns die Bohrkerne anzubieten.« Welche Proben sie einlagern, entscheiden die Hüter der Steine selbst – um das »Eldorado für Geowissenschaftler«, wie Huckriede die Sammlung bezeichnet, zu bewahren.