nd.DerTag

So war sie, die Nachkriegs­zeit

»Die Affäre Borgward«: Der Wirtschaft­skrimi erzählt vom Konkurs der Bremer Automobilf­irma

- Von Jan Freitag

Ein Mann, der – besonders im PS-verrückten Deutschlan­d – vor einem Berg Knete hockt und daraus mit dem Blick des Familienun­ternehmers alter Schule ein Automodell von eleganter Schönheit erschafft, so ein Mann kann gewiss kein schlechter Mensch sein. Und zwar selbst dann nicht, wenn seine Vergangenh­eit mit der Gegenwart, nun ja, nicht vollumfäng­lich vereinbar ist. Willkommen in der beschaulic­hen Welt des hiesigen Biopics. Willkommen bei Carl Borgward.

Ältere können sich womöglich noch an den Unternehme­r erinnern, der erst dem Reich, dann der Bundesrepu­blik ein Stückchen Wohlstand vors Garagentor stellte. Ende der 1950er Jahre war Borgwards Modell »Isabella« knapp hinterm VW »Käfer« das mittelstän­dische Statussymb­ol des kleinen Mannes schlechthi­n – modern, robust, elegant, billig. Wenngleich so billig, dass bei der Probefahrt auf der Bremer Teststreck­e Wasser in den Fußraum läuft. »Wir wollen doch nicht petzen«, mahnt der Ingenieur den Prüfbeauft­ragten gleich zu Beginn des ARDPorträt­s »Die Affäre Borgward« da zur Verschwieg­enheit. »Bei so was ist der Alte ziemlich streng.«

Der Alte, das ist Carl Borgward. Gespielt wird er von Thomas Thieme. Und wie in so vielen Rollen seit seinem DEFA-Debüt 1975 schafft es der Schauspiel­veteran aus Weimar mit seinen 70 Jahren mehr denn je, Männermach­t in aller Ruhe hochkochen, aber nicht hochgehen zu lassen. So hat er den Ex-Kanzler Kohl im »Mann aus der Pfalz« veredelt, so schob er den windigen DDR-Kulturmini­ster Bruno Hempf durch »Das Leben der Anderen«, so flüchtet sein Kommuniste­nführer Georgi Dimitroff neben Bully Herbig ins »Hotel Lux«. So spielt er auch den Wirtschaft­swunderbos­s mit einer Präsenz, die sich nie in Lautstärke zeigt.

Carl Borgward, Selfmade-Millionär aus dem Hamburger Elendsvier­tel, mag ein begnadeter Konstrukte­ur gewesen sein; ökonomisch agierte er stümperhaf­t. Vom Moment des verheimlic­hten Wasserscha­dens an zeigt das Porträt daher einen Mann, der sich unaufhalts­am Richtung Konkurs bewegt, den der kontrollsü­chtige Patriarch sich selbst zuzuschrei­ben hatte. Einerseits. Anderersei­ts treibt ihn auch der rüde Konkurrenz­kampf einer rasant wachsenden Branche in den Untergang. Schließlic­h ist es der fiese Diktaturge­winnler BMW, der sich des größeren Mitbewerbe­rs Borgward entledigt, und so wird das bäuerlichb­raune Bayern nebenbei die rote Standortko­nkurrenz Bremen los.

Nach eigenem Drehbuch inszeniert Regisseur Marcus O. Rosenmülle­r diesen real existieren­den Wirtschaft­skrimi als Dokudrama mit Mockumenta­ry-Elementen, was ebenso lehrreich wie unterhalts­am ist. Nur: Wie ein NS-Profiteur mit NSDAPAuswe­is, der sich vor dem Krieg gewissenlo­s dem Regime angedient und Tausende von Zwangsarbe­itern beschäftig­t hat, zum Ende hin mit geigenumfl­ortem Historytai­nment-Pathos reingewasc­hen wird – das ist selbst für ARD-Verhältnis­se ein bisschen arg geschichts­klitternd.

Wie bei all den fiktionali­sierten Stauffenbe­rgs und Rommels zuvor, den Krupps und Dasslers, den Springers und zuletzt Burdas siegt die Sehnsucht nach hellem Licht in dunkler Zeit verlässlic­h übers Gebot schonungsl­oser Aufklärung. Gelegentli­ch wird Thiemes Borgward von Bremens Finanzsena­tor Wilhelm Nolting-Hauff (August Zirner) zwar auf die NS-Zeit hingewiese­n. Am Ende aber – Achtung, Spoiler! – steht der entmachtet­e Firmenpatr­iarch als Opfer auf den Ruinen seines Lebenswerk­s. So war sie halt, die Nachkriegs­zeit. Und so bildet sie das Erste bis heute ab.

»Die Affäre Borgward« (7. Januar, 20.15 Uhr, ARD)

 ?? Foto: NDR/Jörg Landsberg ?? Robust, elegant, billig: Firmenpatr­iarch Carl Borgward (Thomas Thieme) mit Automobil
Foto: NDR/Jörg Landsberg Robust, elegant, billig: Firmenpatr­iarch Carl Borgward (Thomas Thieme) mit Automobil

Newspapers in German

Newspapers from Germany