Historischer Prozess
Laura Zúñiga Cáceres über das Verfahren gegen die mutmaßlichen Mörder ihrer Mutter
In Honduras wird der Mord an Berta Cáceres nur halb aufgeklärt.
Für den 10. Januar haben die Richter die Urteile gegen sieben der acht für den Mord an Ihrer Mutter schuldig gesprochenen Männer angekündigt. Wie beurteilen Sie das Verfahren?
Ich denke, dass dies ein historischer Prozess in einem Land ist, in dem Morde zum Alltag gehören. Genau dagegen wehren wir uns, fordern Gerechtigkeit ein und haben Untersuchungen und Recherchen initiiert, um die Hintergründe dieses Mordes aufzuzeigen. Wir nehmen aktiv an dem Prozess teil – bringen unseren Protest in den Gerichtssaal, auch wenn uns das Gericht als Nebenkläger nicht zugelassen hat.
Unstrittig ist auch, dass der Staat Verantwortung für den Tod meiner Mutter trägt – er hat sie und andere bedrohte Aktivisten nicht geschützt. Wir haben den Verdacht, dass er alles andere als unbeteiligt war. Da bedarf es mehr Ermittlungsarbeit – auch und gerade im Kontext der beteiligten Militärs.
Klingt, als ob es weitere Prozesse gegen die Hintermänner geben müsste?
Ja, die stehen an. Schon in diesem ersten Prozess hat es viele Versäumnisse gegeben, die dazu beitragen, dass die Verantwortlichen hinter der Tat bisher kaum sichtbar sind. Es sind Beweise nicht ausgewertet, Waffen ballistisch nicht untersucht worden, und in diesem Zusammenhang ist die internationale Beobachtung sehr wichtig. Für die Geberländer, die sich für die Stärkung einer unabhängigen Justiz engagieren, bietet der Prozess viele Anhaltspunkte, um die Dimension der Straflosigkeit zu begreifen, der wir in Honduras gegenüberstehen. Im Kontext dieses Prozesses hat es viele Bemühungen gegeben, die Wahrheit nicht ans Licht kommen zu lassen.
Ein Beispiel?
Wenige Stunden nach dem Mord an meiner Mutter hat der zuständige Sicherheitsminister Julian Pacheco von einem Mord aus Eifersucht gesprochen – da hatte es noch nicht einmal eine Obduktion gegeben. Das ist ein offenkundiger Widerspruch, denn es war bekannt, dass meine Mutter über Jahre von dem verantwortlichen Unternehmen bedroht und diffamiert worden war.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation in Honduras?
Ich denke, dass wir uns heute in Honduras einer Situation gegenübersehen, die geprägt ist von dem, was im Anschluss an den Staatsstreich von 2009 gegen den linksorientierten Präsidenten Manuel Zelaya passiert ist. Es gibt ein Davor und ein Danach, und dazu gehört eine Politik der Übergabe von Territorien der indigenen Ethnien an internationale Konzerne. Parallel dazu ist es zu einer Militarisierung der Gesellschaft gekommen – die Präsenz der Militärpolizei und weiterer Polizeieinheiten ist kaum zu übersehen.
In Honduras wird nach klientelistischen Motiven entschieden. Zugunsten von privaten Unternehmen mit den richtigen Beziehungen in die Politik, sprich am besten korrumpierten Politikern. Dieses System macht nicht vor der Justiz halt, und das zeigt der Prozess gegen die Mörder meiner Mutter. Sie hat sich für den Erhalt eines Flusses und den Schutz der Territorien einer indigenen Minderheit engagiert. Daraufhin hat man sie versucht zu bestechen, dann verfolgt, ihre Mitstreiter kriminalisiert, auf sie Anschläge verübt. Als weder Terror noch Bestechung funktionierten, hat man sie ermordet. Nach dem Mord versucht man nun die Strukturen dahinter zu verschleiern, Straflosigkeit gegen die Drahtzieher durchzusetzen – in diesem Kontext steht auch der Prozess gegen die acht Mörder.
Die ILO-Konvention 169 ist von Honduras unterzeichnet worden. Sie besagt, dass vor dem Beginn eines Investitionsprojekt die lokale indigene Bevölkerung gefragt werden muss, ob sie ein Projekt wie den Agua-Zarca-Staudamm haben will. Das hat nie stattgefunden. Warum nicht und welche Relevanz hat diese Konvention in der Region?
Wer die ILO-Konvention ignoriert, ignoriert die Menschen, die in der betreffenden Region leben, und deren Lebensweise. Dass haben die Menschen nicht hingenommen, sich organisiert und mehrfach öffentlich ihre Ablehnung gegen das StaudammProjekt kundgetan. Darauf wurde mit Gewalt geantwortet – Menschen wurden getötet und soziale Strukturen angegriffen. Das wird in Kauf ge- nommen, weil es Gewinne und »Entwicklung« gibt.
Haben die finanzierenden Unternehmen und auch die Lieferanten wie der deutsche Turbinenbauer Voith Hydro für den Staudamm eine Mitverantwortung?
DESA ist eine honduranische Gesellschaft, die mit gerade einmal 1000 US-Dollar Eigenkapital gegründet wurde und von den Geldern internationaler Finanzinstitute lebte. Sie hat eine kriminelle Struktur aufgebaut, die darauf abzielte, die sozialen Strukturen in der betreffenden Region zu zerstören. Das war bekannt und trotzdem haben Ausrüster genauso wie Banken an der Realisierung festgehalten – obwohl es diese Informationen gab. Daran hat auch der Tod meiner Mutter nur wenig geändert, denn eine holländische Bank hält bis heute an den Finanzierungszusagen fest. Genau deshalb werden wir in Holland gegen diese Bank Klage einreichen. Kurzum: Ich bin der Meinung, dass die am Bau beteiligten Unternehmen und die Finanziers Verantwortung tragen. Sie sorgen für Tote.