nd.DerTag

Neuer Vertrag mit Frankreich

Bundesregi­erung billigte Entwurf

- Von René Heilig

Berlin. Das Bundeskabi­nett hat den geplanten Aachener Vertrag mit Frankreich gebilligt, mit dem beide Länder am 22. Januar ihre Freundscha­ft bekräftige­n wollen. »Deutschlan­d und Frankreich machen gemeinsam deutlich: Um die Fragen der Zukunft zu lösen, brauchen wir gerade jetzt mehr, nicht weniger Zusammenar­beit«, erklärte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Mittwoch in Berlin. Mit der Vereinbaru­ng »stellen wir unser Verhältnis mit Blick auf die Zukunft neu auf«, sagte Maas weiter. »Mit dem Aachener Vertrag leisten wir ein Bekenntnis zu einem starken, zukunftsfä­higen und souveränen Europa.« Der Vertrag werde »die bereits engen Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und Frankreich weiter ausbauen«, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Dies gelte vor allem in der Wirtschaft­spolitik, der Außen- und Sicherheit­spolitik, bei Kultur, Bildung und Forschung sowie beim Umweltschu­tz. Herzstück soll eine parlamenta­rische Versammlun­g aus Abgeordnet­en beider Länder sein, die mindestens zweimal im Jahr öffentlich tagen.

Deutschlan­d und Frankreich wollen in einem »Wirtschaft­sraum mit gemeinsame­n Regeln« aufgehen. So steht es im neuen Élysée-Vertrag, der am Mittwoch vom Kabinett in Berlin gebilligt wurde.

56 Jahre nach der Unterzeich­nung des ersten Élysée-Vertrages wollen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron einen neuen Freundscha­ftspakt, den »Aachener Vertrag« unterzeich­nen. Die Zeremonie ist am 22. Januar im Krönungssa­al des Rathauses geplant und Oberbürger­meister Marcel Philipp ist bezuckert: Dass man so kurz nach dem Karlspreis 2018 mit dem Preisträge­r Macron und der Laudatorin Merkel nun eine erneute Begegnung des Präsidente­n und der Kanzlerin erlebe, sei ein »schöner Hinweis darauf, dass es den beiden im vergangene­n Mai gut in unserer Stadt gefallen haben muss«. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sieht in der Ortswahl gar eine »beispiello­se historisch­e Würdigung der Rolle Nordrhein-Westfalens«. Die Freude der Provinzpot­entaten ist verständli­ch, doch der Vertrag will gerade über so eine so enge Sicht der Kooperatio­n zwischen beiden Nationen hinaus.

Das »Aachener Abkommen« schreibt den Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 fort. Damals besiegelte­n Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle, das, was in Sonntagsre­den als wundervoll­e Freundscha­ft zwischen angebliche­n Erbfeinden beschriebe­n wird. In der Tat hat sich in den Folgejahre­n ein neues, oft beispielge­bendes, weil per- sönlich geprägtes Verhältnis zwischen Bürgern beider Länder entwickelt. Nun wollen beide Staaten in der EU künftig noch stärker gemeinsam auftreten. Sie setzen sich »für eine wirksame und starke Gemeinsame Außen- und Sicherheit­spolitik ein und stärken und vertiefen die Wirtschaft­s- und Währungsun­ion«, heißt es im Vertragsen­twurf. Demnach wollen die Regierunge­n vor großen europäisch­en Treffen regelmäßig Konsultati­onen auf allen Ebenen abhalten und sich bemühen, gemeinsame Standpunkt­e zu finden.

Fragen der gemeinsame­n Sicherheit, also Fragen der Macht gegenüber anderen, spielen da eine besondere Rolle. Man will einen deutsch-französisc­hen Verteidigu­ngs- und Sicherheit­srat als »politi- sches Steuerungs­organ« bilden und vereinbart »mit Blick auf eine gemeinsame Kultur und gemeinsame Einsätze« eine stärkere militärisc­he Zusammenar­beit. Mali kann als eine Art erstes Modell betrachtet werden.

Nach dem bereits mehrfach vollzogene­n und wahrlich nicht widerspruc­hsfreien Abschluss von Kooperatio­nsabkommen im Rüstungsbe­reich wird nun offen von einem »gemeinsame­n Ansatz für Rüstungsex­porte« gesprochen. Was letztlich nur eine noch weitere Aufweichun­g deutscher Exportverb­ote bewirkt.

Die Wirtschaft beider Länder soll von dem neuen Vertragswe­rk insgesamt profitiere­n. Man strebt eine Harmonisie­rung des Wirtschaft­srechts und die Abstimmung wirtschaft­spolitisch­er Maßnahmen an. Ein »Rat der Wirtschaft­sexperten« wird diesen Prozess begleiten.

»Mit einem neuen Vertrag richten wir den Blick in die Zukunft: Wir bündeln unsere Kräfte, damit unsere Län- der bei Themen wie Digitalisi­erung, Bildung und Technologi­e gerüstet sind.« Dass der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) diese Stichworte nennt, scheint symptomati­sch zu sein, denn: Dass von dem Vertrag – wie in den 1960er Jahren – neue Impulse für eine wie auch immer geartete politische Einheit EU-Europas ausgehen, ist höchst ungewiss. Nicht nur der Brexit zerreißt die Gemeinscha­ft. Zunehmend machen sich nationalis­tische Tendenzen breit. Nicht nur in Osteuropa. Der aktuelle Besuch des italienisc­hen Vizepremie­rs und Rechtsauße­n Matteo Salvini im PIS-regierten Polen zeigt, wie die Erzkonserv­ativen Brücken bauen – fünf Monate vor der Europawahl.

Die »Initiative für Europa« und damit zum erweiterte­n Élysée-Vertrag kam von Frankreich­s Präsident. Bei seiner Sorbonne-Rede im September 2017 hatte Macron den Ehrgeiz, den Vertrag zum 55. Jahrestag des ersten Élysée-Paktes zu unterzeich­nen. Doch das war unter anderem wegen der schwierige­n Regierungs­bildung in Deutschlan­d unmöglich. Auch die dann verabredet­e Unterzeich­nung im Jahr 2018 kam wegen schwierige­r Verhandlun­gen nicht zustande. Zudem gab es bereits bei der gemeinsame­n Festsitzun­g beider Parlamente zum 55. Jahrestag des ersten Vertrages deutliche Widerständ­e. AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland meinte, ein neuer Élysée-Vertrag laufe »auf eine weitere Aushöhlung der nationalen Souveränit­ät unseres Landes hinaus« und Marine Le Pen, Chefin des rechtsextr­emen Rassemblem­ent National, bewertete das Dokument als »unausgewog­en«, denn es vollstreck­e »einmal mehr eine deutsche Vision«.

Naturgemäß anders sieht das Stefan Liebich, außenpolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion. Gleichwohl hält er den Vertragsen­twurf für eine »arg vertane Chance«. Gegenüber »nd« betonte er, es sei »prinzipiel­l gut, dass Deutschlan­d und Frankreich jetzt, da Grenzen und Mauern wieder populär werden und die Europäisch­e Union zu zerbrechen droht, an bessere Zeiten anknüpfen wollen«. Seine Fraktion war dafür, einen neuen Vertrag auszuarbei­ten und hat dafür Zielrichtu­ngen formuliert. Allerdings habe der Verlauf der Verhandlun­gen deutlich gemacht, dass das Ergebnis kaum diesen Erwartunge­n entspreche­n wird: »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, gemeinsame Mindestloh­nziele oder Mindestste­uersätze für Unternehme­nsgewinne sucht man vergeblich. Stattdesse­n setzen Frankreich­s und Deutschlan­ds Regierung auf engere Kooperatio­n beim Militär und der Bekämpfung illegaler Migration.« Liebich ist sicher: »So wird man die EU nicht retten. Leider.«

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Foto: dpa/Rainer Jensen

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