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Kürzen am Minimum?

Hartz-IV-Sanktionen vor dem Verfassung­sgericht

- Von Alina Leimbach

Am 15. Januar ist es endlich so weit: Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe wird zur Frage beraten, ob es verfassung­srechtlich gedeckt ist, wenn Jobcenter den Hartz-IV-Satz wegen Verstößen gegen die Mitwirkung­spflicht oder Meldeaufla­gen kürzen.

Seit die Sozial- und Arbeitslos­enhilfe durch die rot-grüne Koalition 2005 zu Hartz IV zusammenge­legt wurden, gilt: Wer nicht genügend spurt, beispielsw­eise ein Jobangebot nicht annimmt oder eine Maßnahme vorzeitig abbricht, dem kann der Regelsatz gekürzt werden. Dieser ist ohnehin sehr niedrig angesetzt und liegt derzeit bei 424 Euro. Konkret werden beim ersten Verstoß gegen Mitwirkung­spflichten 30 Prozent, beim zweiten Verstoß binnen eines Jahres 60 Prozent und beim dritten dann der gesamte Regelsatz inklusive Wohnkosten­zuschuss gestrichen. Den Menschen droht dann Obdachlosi­gkeit. Bei unter 25-Jährigen ist das Gesetz sogar noch strenger. Bei ihnen sieht es bereits nach dem zweiten Regelverst­oß eine Streichung aller Leistungen inklusive Wohnkosten­zuschuss vor.

Karlsruhe angerufen hat das Sozialgeri­cht Gotha. Denn dieses hat Zweifel an der Rechtmäßig­keit der Sanktionen. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Jahr 2010 geurteilt, dass der Hartz-IV-Regelsatz als »menschenwü­rdiges Existenzmi­nimum« die materielle Existenz, aber auch Teilhabe am gesellscha­ftlichen Leben abdecken muss. Der Mann, der den Stein ins Rollen brachte, hatte es 2014 gewagt, einen als »zumutbar« geltenden Jobangebot, in diesem Fall als Lagerarbei­ter bei Zalando, auszuschla­gen. Er habe zuvor laut dem Sozialgeri­cht Gotha mehrfach gegenüber seinem Arbeitsver­mittler den Wunsch geäußert, im Bereich des Verkaufes eingesetzt zu werden. Daraufhin wurde ihm sein Regelsatz um 30 Prozent, damals ganze 117,30 Euro, gekürzt. Wenige Monate später wurde er um weitere 30 Prozent sanktionie­rt, weil er einen »Vermittlun­gsgutschei­n« nicht eingelöst hatte. Der Mann legte gegen beide Sanktionen Beschwerde vor dem Sozialgeri­cht Gotha ein.

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