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»Wir stehen ganz am Anfang«

Sieben Auftragski­ller werden für den Mord an Berta Cáceres verurteilt, nach den Auftraggeb­ern nicht mal gesucht

- Von Knut Henkel

Der Prozess gegen die Mörder der Umweltakti­vistin Berta Cáceres verlief aus Sicht vieler Beobachter nicht rund. Die Behörden hätten nicht in alle Richtungen ermittelt, meint nicht nur der Anwalt der Familie.

Kameras, Stacheldra­ht und ein hoher Metallzaun sichern das Gebäude an der Straßeneck­e, wo sich die zehnte Straße mit der zwölften Avenida trifft. Suyapa heißt das Stadtviert­el am Rande des Zentrums von San Pedro Sula. Dort befindet sich der Sitz der Bewegung für die Würde und die Justiz in Honduras (Movimiento amplio por la Dignidad y la Justicia MADJ) befindet.

Victor Fernández, ehemaliger Staatsanwa­lt und seit 2008 freiberufl­icher Anwalt, ist Koordinato­r der Bewegung. »Wir vertreten hier die Rechte von sozialen Organisati­onen, bieten Beratung und Prozesshil­fe an und initiieren auch Klagen«, so der 43-jährige Jurist. Er arbeitet seit Jahren eng mit dem Bürgerrat der Volksund Indigeneno­rganisatio­nen von Honduras, kurz COPINH, zusammen. Er vertritt auch die Interessen der Familie der am 3. März 2016 ermordeten Berta Cáceres. Die Koordinato­rin der COPINH war in ihrem Haus in La Esperanza, einer mittelgroß­en Stadt im Süden von Honduras, von Auftragski­llern ermordet worden. Am 29. November 2018 endete der erste Prozess, den Fernández und seine Kollegen vom MADJ angestreng­t hatten. Sieben von acht Angeklagte­n wurden vom Gericht für schuldig erklärt, die Umweltakti­vistin Berta Cáceres ermordet zu haben.

Für Víctor Fernández geht das Urteil genauso wie für die Familie Cáceres nicht weit genug: »Wir wollen kein zu kurz greifendes Urteil, in dem die ausführend­en Organe verurteilt werden, aber die Auftraggeb­er, die Verantwort­lichen für den Mord, nicht belangt werden. In diese Richtung lief der Prozess aber von Beginn an«, kritisiert der Anwalt. Er vermutet, dass das Gericht von Beginn an den Auftrag hatte, den Prozess so zu steuern, dass Hintergrün­de und Hintermänn­er nicht an die Öffentlich­keit dringen konnten. »Es geht darum, die Funktionsw­eise des Machtappar­ats zu verschleie­rn. Deshalb wurden auch die Verantwort­lichen des Wasserkraf­tunternehm­ens DESA nicht als Zeugen zur Befragung geladen. Auch die Funktionär­e, die die Konzession für das Kraftwerk bewilligte­n, obwohl sie damit geltendes Recht verletzten, wurden nicht vorgeladen«, kritisiert Fernández.

Beim Staudammpr­ojekt Agua Zarca setzte DESA mangels Eigenkapit­al ausschließ­lich auf internatio­nale Kredite von Banken wie der Holländisc­hen Entwicklun­gsbank FMO. Nicht mangelte es am Willen, ein Projekt mit allen Mitteln durchzuset­zen, gegen das sich die lokale Bevölkerun­g mehrfach öffentlich ausgesproc­hen hatte. Dafür wurde ein kriminelle­s Netzwerk aufgebaut, dessen Reichweite bisher noch nicht klar ist. Genau dort setzen die Anwälte der Opfer an. »Wir haben ermittelt und herausgefu­nden, dass sich hinter dem Mord eine politisch-militärisc­he Struktur verbirgt. Das erklärt auch, warum unsere Arbeit systematis­ch behindert wird.« So wurden Beweise nicht ausgewerte­t wie zum Beispiel Mobiltelef­one, Tablets, aber auch die Waffe eines Militärs, die das gleiche Kaliber hat wie die Waffe, aus der die tödlichen Kugeln auf Berta Cáceres abgefeuert wurden. Versäumnis­se, auf die der Anwalt und seine Kollegen immer wieder hingewiese­n haben.

Víctor Fernández und seine Kollegen hatten eine aktive Prozessfüh­rung gewählt, sich von einer internatio­nalen Gruppe von Rechtsexpe­rt*innen (Gaipe) beraten und unterstütz­en lassen und Indizien und Belege zusammenge­tragen, die nahelegen, dass das kriminelle Netzwerk im Umfeld der DESA seit 2010 aktiv ist. Wie weit es reicht, weiß auch Fernández nicht, aber er verweist darauf, wie wichtig die internatio­nale Aufmerksam­keit ist. Briefe wie jener von 30 Abgeordnet­en des EU-Parlaments, die Mitte November 2018 an den Präsidente­n von Honduras, Juan Orlando Hernández, appelliert­en, ein transparen­tes Verfahren zu garantiere­n, sind wichtig, um die Ermittlung­en voranzutre­iben.

Transparen­z ist anscheinen­d alles andere als erwünscht in Honduras. Die Kameras rund um die MADJZentra­le sind dafür genauso ein Indiz wie die Drohungen, die Víctor Fernández erhalten hat. Unbequem scheinen die Ermittlung­en zu sein, die das Juristente­am angeschobe­n hat. Das bestätigt auch Joaquín A. Mejía, Jurist, der für das jesuitisch­e Forschungs­zentrum ERIC arbeitet. »Mit dem Urteil wird die Straflosig­keit in Honduras fortgesetz­t, denn Ermittlung­en, die über den Radius der ausführend­en Organe hinausgehe­n, wurden blockiert. So kommt man in der Frage, wer den Auftrag für den Mord an Berta Cáceres gab, nicht weiter. Wir stehen ganz am Anfang«, so der Analyst. Ob die noch anstehende­n Prozesse gegen den Geschäftsf­ührer der DESA, David Castillo und seinen Kommunikat­ionsmanage­r Sergio Ramón Rodríguez Aufklärung bringen werden, wird sich noch zeigen. Die Vorzeichen nach dem ersten Prozess sind alles andere als positiv.

»Wir wollen kein zu kurz greifendes Urteil, in dem die ausführend­en Organe verurteilt werden, aber die Auftraggeb­er, die Verantwort­lichen für den Mord, nicht belangt werden. In diese Richtung lief der Prozess aber von Beginn an.« Victor Fernández, ehemaliger Staatsanwa­lt

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Foto: imago/Jorge Torres Altar zum Gedenken an Berta Cáceres in der Nähe der honduranis­chen Botschaft in Nicaragua

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