Segregation nach Klasse und Hautfarbe
Die Streikwelle von Lehrkräften in den USA setzt sich im liberalen Los Angeles fort
Nachdem im vergangenen Jahr Lehrerstreiks in konservativen Bundesstaaten Erfolge erzielten, werden nun die halbprivaten Schulen und ihr segregierendes Wesen im liberalen Kalifornien bestreikt.
Im zweitgrößten Schulbezirk der USA, dem Großraum Los Angeles, herrscht seit diesem Donnerstag Ausnahmezustand. Denn die gut 30 000 Lehrer an den 900 Schulen verweigern die Arbeit. Für den unbefristeten Streik stimmte vor zwei Wochen eine große Mehrheit in der Lehrergewerkschaft United Teachers Los Angeles (UTLA). »Unhaltbare Zustände« monieren die Lehrkräfte seit langem, und die Mehrzahl der Eltern und Schüler, fast 700 000 an der Zahl, stimmt zu. Denn es geht nicht nur um mickrige Lehrergehälter, sondern auch um maßlos überfüllte Klassenzimmer, fehlende Schulkrankenschwestern und standardisierte Tests, die an den Lebenswelten der Schüler vorbeigehen. »Das Fass ist übergelaufen«, sagt Alex Caputo-Pearl, der UTLA-Chef. »Unterfinanzierung und Privatisierungsmaß- nahmen haben unsere Schulen seit langem untergraben.«
Dieselbe Misere veranlasste im vergangenen Jahr Zehntausende von Lehrkräften zu Ausständen in Größenordnungen und mit einer Vehemenz, die angesichts der Schwäche der US-Gewerkschaften kaum jemand für möglich gehalten hatte. Und noch dazu in so konservativen Bundesstaaten wie West Virginia mit 20 000 streikenden Lehrkräften, gefolgt von Oklahoma mit weiteren 20 000 und dann doppelt so vielen in Arizona. Kleinere Streiks erfolgten in Colorado, Kentucky und North Carolina. Die wenigen etablierten Gewerkschaften in diesen Staaten wurden von den selbstorganisierten, über soziale Medien koordinierten Streikkomitees überrascht und sahen sich dann zum Mitmachen gezwungen. Fast überall rangen die Streikenden den Behörden Zugeständnisse ab.
Zu diesen von den Republikanern dominierten Bundesstaaten präsentiert sich das angeblich so liberale Kalifornien als Gegenstück. Dort dominieren die Demokraten, gerade in Großstädten wie San Francisco und Los Angeles. In punkto öffentlicher Bildung steht der Sonnenstaat aber statistisch gesehen im USA-Vergleich ebenfalls ganz weit unten. So liegen die staatlichen Ausgaben pro Schüler an 43. Stelle von 50 Bundesstaaten. New York, der größte Schulbezirk in den USA, gibt doppelt so viel aus.
Tatsächlich ist in Kalifornien das System der Charter-Schulen – von Privatunternehmen betrieben, aber von der öffentlichen Hand finanziert – weit ausgeprägt. Diese Schulen brauchen sich nicht an staatliche Auflagen halten, etwa bei der Auswahl der Lehrkräfte, bei Lehrplänen oder Bedürfnissen der Schüler. In glitzernden Broschüren, die Charter-SchulInvestoren gerne verbreiten, besteht das Bildungsideal dann auch in der Marktkonformität – das Schulkind und seine Familie firmieren darin als Kundschaft, die Schule als Bildungsdienstleister und die Schulbehörde als Kundendienst. Da viele wohlhabende und weiße Familien die Charter- oder gänzlich private Schulen wählen, gehen im Bezirk Los Angeles überdurchschnittlich viele schwarze und Latino-Schüler auf öffentliche Schulen. Dort stammen 82 Prozent der Schüler aus »low-income families«, das heißt armen Familien.
Diesem Ideal, das die Segregation nach Klasse und Hautfarbe vertieft, hat sich offenbar auch die Schulbehörde von Los Angeles verschrieben. Ihr Leiter Austin Beutner entstammt der Welt des Investmentbanking und hat keinerlei Erfahrung mit öffentlicher Bildung. Den Forderungen der UTLA begegnet er mit der Behauptung, der Bezirk würde bei ihrer Erfüllung Pleite gehen. Schon jetzt bestehe die Gefahr einer Insolvenz. Die UTLA wirft der Behörde dagegen vor, auf zwei Milliarden Dollar Reserve zu sitzen und mit dem Geld zu spekulieren.