Provinz Idlib bleibt Unruheherd trotz Pufferzone
Zahlreiche Opfer bei Kämpfen zwischen Rebellen in Syrien / Großmächte halten sich bisher heraus
In der syrischen Provinz Idlib verharren die letzten verbliebenen Rebellengruppen. Zu Frieden untereinander sind sie nicht bereit.
Die Intensität der Kämpfe in Syrien hat im abgelaufenen Jahr spürbar abgenommen. Aufgehört haben sie dennoch nie, auch im Neuen Jahr nicht. Ein Brennpunkt bleibt die Provinz Idlib. Dorthin haben sich die letzten größeren Kontingente der dschihadistischen Rebellengruppen von überallher geflüchtet, wo sie von den Regierungstruppen vertrieben wurden bzw. nach Kapitulation freien Abzug erhielten.
Als die syrische Armee im Sommer die Provinzhauptstadt Idlib einkesselte und sich anschickte, sie zu erobern, schritten die jeweiligen Schutzmächte ein: Russland für die Regierungsarmee und die Türkei für deren Gegner. Was Ankara und Mos- kau am 17. September separat vereinbarten, hält bis heute: Eine entmilitarisierte Pufferzone für Idlib trennt »Rebellen« und syrische Armee, und die Großmächte garantieren die Waffenruhe.
Allerdings gilt das nicht für das Innere der Provinz Idlib. Dort kämpfen seitdem verschiedene islamischfundamentalistische Milizen immer wieder um die Vorherrschaft. Die Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) besetzte vor einer Woche elf Dörfer und vertrieb die Rivalen des Rebellenbündnisses Nationale Befreiungsfront. Letztere wird von der Türkei mit Kriegsmaterial versorgt, während HTS offiziell von Ankara gemieden wird, weil sie eigentlich Teil der Dschihadistenmiliz NusraFront ist. Diese wird weltweit als Terrororganisation geführt.
Ganz so strikt scheint die Abgrenzung des türkischen Militärs zu HTS allerdings nicht zu sein. Schließlich ließ es den Übergriff geschehen, ob- wohl es Beobachtungsposten in der Provinz hat. HTS legt übrigens Wert darauf, dass es die Pufferzone nie akzeptiert hat.
Und HTS fühlt sich offenbar sicher – vor türkischen Gegenmaßnahmen – und militärisch stark genug, den Hauptrivalen auf dem syrischen Schlachtfeld eine Nase zu drehen. Am Montag eroberte die Miliz laut Neuer Zürcher Zeitung Atarib, das bereits zur Provinz Aleppo gehört. Die 11 000-Einwohner-Stadt liegt nur 25 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt und ist von Gebiet umgeben, das von Regierungstruppen kontrolliert wird. Woher haben die HTS-Banden ihren Nachschub? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder über die Türkei oder er ist vom Himmel gefallen. Auch die islamistisch-dschihadistische Miliz »Bewegung Nur al-Din alZenki« wurde von HTS überrollt.
Wie immer der Machtkampf unter den dschihadistischen Gruppen sich weiter entwickelt – es besteht offensichtlich Handlungsbedarf für die »Großen«, schließlich nehmen die Milizen bei ihren Rivalitäten keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Im Moment lässt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan »seine« Schützlinge wohl auch deswegen gewähren, weil seine an der syrischen Grenze massierten Truppen ihr Augenmerk nicht von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten lassen sollen.
Die Revierkämpfe haben gewiss auch mit den Rückzugsabsichten von US-Präsident Donald Trump vom syrischen Kriegsschauplatz zu tun und den damit verbundenen Unsicherheiten der verschiedenen Milizen, zu denen auch Zenki gehört oder gehörte. Steuerbar waren sie alle nur bedingt, und einen Schutzschirm, wie ihn die westlichen Staaten für sie noch immer einfordern, hatten sie, gemessen an ihren Handlungen, nie verdient.