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Ungewöhnli­cher Seitenwech­sel

Früherer Grünen-Staatssekr­etär wird Lobbyist beim Glyphosat-Hersteller Bayer/Monsanto

- Von Vanessa Fischer

Jahrelang saß er für die Grünen im Bundestag. Nun soll Matthias Berninger das Image des Saatgutrie­sen Monsanto aufpoliere­n.

Der deutsche Chemie-Konzern Bayer hat seit Jahresbegi­nn einen neuen Chef-Lobbyisten: Matthias Berninger, ehemaliger Grünen-Bundestags­abgeordnet­er, ist seit 1. Januar Leiter der Abteilung »Public and Government­al Affairs« mit Dienstsitz in Washington. Berninger, der 1994 als damals jüngster Abgeordnet­er überhaupt für die Umweltpart­ei in den Bundestag eingezogen war, blieb dort 13 Jahre lang. Bereits 2007 hatte der gebürtige Hesse dann die Seiten gewechselt und war in die Privatwirt­schaft gegangen, zum amerikanis­chen Nahrungs- und Süßigkeite­nherstelle­r Mars.

Berningers jüngster Wechsel zu Bayer überrascht dennoch: Seit Jahren machen sich die Grünen für ein Verbot des umstritten­en Pflanzensc­hutzmittel­s Glyphosat stark, das im Verdacht steht, krebserreg­end zu sein. Spätestens seit der Übernahme des US-amerikanis­chen Saatgutrie­sen Monsanto, der den umstritten­en Unkrautver­nichter unter dem Namen »Roundup« vetreibt, ist dieser auch Thema für den Leverkusen­er Konzern, Berningers neuen Arbeitgebe­r. Denn der in den USA von Monsanto verlorene Prozess und die Widersprüc­he in den Studien, die die Unbedenkli­chkeit des Mittels beweisen sollen, haben dem Unternehme­n neben möglichen Schadenser­satzforder­ungen in Milliarden­höhe auch ein schlechtes Image eingebrach­t. Zwar war Monsanto mit seinem gentechnis­ch veränderte­n Saatgut schon lan- ge Inbegriff all dessen, was in der modernen Landwirtsc­haft falsch zu laufen scheint. In den USA warten derzeit jedoch 9300 Klagen gegen Monsanto. Expert*innen schätzen daher, dass Bayer die Übernahme von Monsanto zum Kaufpreis von rund 63 Milliarden Dollar weitere fünf Milliarden an Strafzahlu­ngen kosten könnte.

Hauptaufga­be Berningers wird es nun sein, genau für dieses Pflanzensc­hutzmittel, und in der Folge auch für Bayer, ein besseres politische­s Umfeld zu schaffen. Verflechtu­ngen mit Parteien und Unternehme­n sind für Berninger dabei nichts Neues. Der Zögling Joschka Fischers galt seit jeher als wirtschaft­sliberal und gehörte dem Realo-Flügel der Grünen an. Als Teil der sogenannte­n Pizza-Connection lotete er in den 1990er Jahren mit anderen jungen Unions- und GrünenAbge­ordneten die Möglichkei­ten ei- ner schwarz-grünen Koalition aus. 2001 kam er als Staatssekr­etär unter der erklärten Bayer-Kritikerin Renate Künast ins Ministeriu­m für Verbrauche­rschutz und Landwirtsc­haft und war von 2005 bis 2007 wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion. Als die rot-grüne Regierungs­zeit 2005 zu Ende ging, kündigte Berninger an, die Politik verlassen zu wollen. Die Partei scheint er aber noch nicht verlassen zu haben.

Über seinen Werdegang schien sich auch die PR-Abteilung von Bayer zu wundern, als sie Mitte Dezember verkündete: »Drei Stunden haben wir jetzt gegrübelt, welcher originelle Tweet uns zu dieser Personalie einfällt – und dann doch entschiede­n: besser sachlich machen. Deshalb nur: Der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort! Herzlich willkommen, Matthias Berninger!«

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