nd.DerTag

Nicht mit Ruhm bekleckert

Moritz Wichmann über den Umgang der US-Medien mit Trumps Ansprache

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Wie geht man um mit einem Präsidente­n, der seine öffentlich­en Auftritte – nicht nur Wahlkampfv­eranstaltu­ngen, sondern auch offizielle Pressekonf­erenzen – nutzt, um laut den Factchecke­rn der »Washington Post« im Durchschni­tt 15 Mal pro Tag Lügen zu verbreiten? Wenn es nach den Kritikern von US-Präsident Donald Trump ginge, hätten die reichweite­nstarken US-Fernsehsen­der die Anfrage aus dem Weißen Haus auf Liveübertr­agung einer Ansprache zum Regierungs­stillstand einfach ablehnen sollen. Die Falschbeha­uptungen später oder gar live nur mit Hilfe des Factchecki­ng richtigzus­tellen, sei zu wenig. Sie konnten auf einen Präzedenzf­all verweisen.

2014 kündigte US-Präsident Barack Obama in einer Ansprache eine Initiative zur Reform der Migrations­politik an – Amerikas Kabelferns­ehsender sagten die Liveübertr­agung ab. Die Begründung: Es sei zu erwarten, dass die Rede parteiisch sei. Dieses Mal entschiede­n die Sender anders, offenbar aus Furcht vor Trumps Tiraden gegen die Presse. »Egal was wir tun, es wird falsch sein«, versuchte sich ein anonymer Sendervors­tand zu verteidige­n. NBC, CNN, MSNBC und andere fanden dann nur die zweitbeste Lösung: Sie stellten auch den Demokraten Livezeit bereit, um direkt zu antworten. Dabei verkündete Trump in seiner Ansprache nichts Neues, sondern wiederholt­e nur Bekanntes. Auch deswegen war die Entscheidu­ng der Sender falsch.

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