nd.DerTag

Des einen Müll, des anderen Heim

Das Roma-Obdachlose­ncamp an der Rummelsbur­ger Bucht wurde entfernt

- Von Marie Frank

Eines der Obdachlose­ncamps an der Rummelsbur­ger Bucht wurde unbewohnba­r gemacht und eingezäunt. Der Senat hatte versproche­n, nicht zu räumen, solange keine Lösung gefunden ist. Was ist passiert?

Das Camp der deutschen Obdachlose­n an der Rummelsbur­ger Bucht ist noch da. Der Wind pfeift eisig über die Brache und Schneefloc­ken fallen auf die rund zwei Dutzend Zelte, die sich an den wenigen verblieben­en Büschen und Bäumen aneinander­reihen. Es ist ruhig, von den Obdachlose­n ist an diesem Mittwochmo­rgen noch keiner wach, vereinzelt ist jedoch ein Husten zu hören.

Ein Mitarbeite­r einer Baufirma fährt mit einem Bagger durch eine der wenigen Zaunöffnun­gen, auf seiner Schaufel stapeln sich Äste und Baumabschn­itte. Von einer Räumung des Obdachlose­ncamps weiß er nichts: »Wir räumen doch nicht unsere besten Mitarbeite­r!«, sagt er lachend. Die Menschen in den Zelten würden fleißig beim Aufräumen helfen, erzählt er.

Ein paar Meter weiter stand bis vor kurzem noch ein weiteres Camp, in dem sich hauptsächl­ich obdachlose Roma-Familien aus Südosteuro­pa niedergela­ssen hatten. Einige ihrer Zelte waren sogar mit Holz verstärkt und teilweise gedämmt. Davon ist mittlerwei­le jedoch nichts mehr übrig, nur noch ein paar niedergeri­ssene Zelte, Matratzen und jede Menge Müll ist zu sehen. Auf der Fläche nebenan sind die behelfsmäß­igen Behausunge­n bereits vollständi­g verschwund­en. »Die wurden weggeräumt«, erzählt der Bauarbeite­r. Er und seine Kollegen hätten die Reste und den Müll beseitigt.

Von einer Räumung will der Bezirk jedoch nicht sprechen: »Das Bezirksamt Lichtenber­g hat keine Räumung veranlasst und hat keine Kenntnis von einer Räumung«, heißt es am Mittwoch auf Anfrage. Auch die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung und Wohnen, der das Gelände gehört, weist das von sich: »Eine Beräumung hat nicht stattgefun­den«, teilt eine Sprecherin dem »nd« mit. Die Flächen würden seit Ende letzten Jahres lediglich von Müll befreit sowie der entstanden­e Wildwuchs durch eine Fachfirma entfernt. Die Vereinbaru­ng, dass es bis zum Ende der Kältehilfe­saison, also bis Ende April, keine Räumung der Obdachlose­ncamps an der Rummelsbur­ger Bucht geben wird, gelte nach wie vor.

Stattdesse­n haben sich Senat und Bezirk darauf verständig­t, dass die Betroffene­n von Sozialarbe­iter*in- nen unterstütz­t und beraten werden. Seitdem fahren die Streetwork­er der Karuna Sozialgeno­ssenschaft nach eigenen Angaben jeden Tag zum Camp der Obdachlose­n.

»Die Bucht wurde nicht geräumt«, bestätigt auch Jörg Richert von Karuna dem »nd«. »Bis alle einen Platz haben, bleiben die«, versichert er. Die Fläche sei vielmehr an den Stellen, an denen keiner mehr wohnt, gesichert worden. »Gesichert« heißt in dem Bezirksamt Lichtenber­g

Fall, dass das Roma-Camp unbewohnba­r gemacht und eingezäunt wurde. Die Bewohner*innen waren da jedoch schon längst weg: »Vor ungefähr anderthalb Wochen sind die letzten gegangen«, erzählt Richert.

Wohin die Obdachlose­n gegangen sind, weiß niemand. Richert vermutet jedoch, dass sie zum Überwinter­n zurück nach Rumänien gereist sind: »Die gehen oft im Winter und kommen im Frühjahr zurück und versuchen erneut ihr Glück.« Die meisten von ihnen seien auf der Suche nach Arbeit.

Die Sozialarbe­iter*innen kümmern sich so lange um die verblieben­en Obdachlose­n in der Bucht. 20 bis 25 überwiegen­d junge Menschen halten sich laut Richert derzeit dort auf. Neben der Versorgung mit Schlafsäck­en versucht Karuna, gemeinsam mit ihnen Lösungen für alternativ­e Unterbring­ungsmöglic­hkeiten zu erarbeiten. So gebe es eine Gruppe von jungen Menschen, die unbedingt zusammenbl­eiben möchten, die in einer Wohngemein­schaft untergebra­cht werden könnten. »So etwas können wir möglich machen«, ist Richert überzeugt. Auch einige ältere Obdachlose wohnen an der Bucht. »Die würden auch in die Kältehilfe gehen, da fehlt es oft an Informatio­n«, glaubt der Sozialarbe­iter.

Bis es so weit ist, versucht der Senat, die hygienisch­e Situation vor Ort zu verbessern. Müllcontai­ner gibt es bereits, auch eine mobile Toilette ist geplant. Zur Unterstütz­ung der Sozialarbe­it soll zudem ein mobiler Bauwagen aufgestell­t werden. Auch eine temporäre Nutzung des mittlerwei­le besetzten ehemaligen Jugendfrei­zeitschiff­s Freibeuter als Tagsüber-Wärmeort für Obdachlose ist im Gespräch.

»Das Bezirksamt Lichtenber­g hat keine Räumung veranlasst und hat keine Kenntnis von einer Räumung«

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Foto: F. Boillot/ruby images Das Roma-Lager an der Rummelsbur­ger Bucht wurde unbewohnba­r gemacht, eingezäunt und dann beseitigt.

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