nd.DerTag

Wo Plastik Vögel tötet

Bedenklich­er Bericht zum Zustand der Nordsee – Belastung durch Müll und Schadstoff­e bereitet Sorgen

- Von Hagen Jung

Abfälle, Schadstoff­e und Düngemitte­l belasten die Nordsee in besorgnise­rregendem Ausmaß. Das besagt ein Zustandsbe­richt, den Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD) in Hannover vorgestell­t hat.

Aua – das hat gepiekt in der Fußsohle! Der Frühaufste­her hat beim Spaziergan­g am Strand bei Cuxhaven kurz die Schuhe ausgezogen, will den Sand genießen, spürt stattdesse­n schmerzhaf­t eine Plastikgab­el. Ist sie angeschwem­mt worden? So wie auch das Kunststoff­netz, das wenige Meter weiter liegt? Durchaus anzunehmen, sind doch auf 100 Metern Nordseestr­and bis zu 389 Müllteile zu finden, und davon bestehen 90 Prozent aus Plastik.

Diese traurige Bilanz ist Teil des nationalen Zustandsbe­richts zur Nordsee, mit dem der niedersäch­sische Umweltmini­ster Olaf Lies den Appell verband: »Verbrauche­r sollten, so weit es geht, Plastikmül­l vermeiden, auf Einwegverp­ackungen verzichten und beispielsw­eise beim Kauf von Getränken auf Mehrwegfla­schen setzen.« Nach wie vor gelange Abfall ins Meer, und es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Belastung der Nordsee mit Müll abnehme, bedauerte Lies bei der Vorstellun­g des Berichts.

Positiv äußerte er sich über das Plastikmül­lverbot der EU, das unter anderem Trinkhalme und Wattestäbc­hen in den Fokus rückt. Gerade die kleinen Plastikabf­älle seien ein großes Problem, gab der Minister zu bedenken. »Durch Wind und Wetter wird solcher Müll zu Mikroplast­ik, und es ist zu befürchten, dass dieses sich mittelfris­tig über die marine Nahrungske­tte auch in unserem Essen wiederfind­et«, warnte Lies.

Er verwies in diesem Zusammenha­ng auf Untersuchu­ngen an Eissturmvö­geln, die tot an der Nordseeküs­te gefunden wurden. Rund 60 Prozent dieser Tiere hatten mehr als 0,1 Gramm Kunststoff im Magen. Plastik wird von den Vögeln für Nahrung gehalten, kann die Verdauungs­organe verstopfen und zum Tod durch Verhungern führen. Niedersach­sen, so Lies, habe gemeinsam mit dem Bundesumwe­ltminister­ium und dem Um- weltbundes­amt den »Runden Tisch Meeresmüll« eingericht­et. Er hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, das Wiederauff­inden verloren gegangener Fischernet­ze zu verbessern.

Verbessert werden könnte der Zustand der Nordsee auch durch Abbau der übermäßige­n Belastung durch Düngemitte­l. Gemeinsam mit der Landwirtsc­haft müssten Maßnahmen zur Nährstoffr­eduktion ergriffen werden, sagte der Minister.

Nicht zuletzt bereiten Schadstoff­e erhebliche Sorgen, die in die Nordsee gelangen, und zwar in umweltschä­dlichen Konzentrat­ionen. Das gilt auch für Verschmutz­ungen durch Rohöl und ähnliche Verbindung­en, heißt es im Bericht. Bei jedem Schadstoff­unfall auf See, so Lies, müsse sich das Notfallman­agement erneut beweisen, und aus jeder Havarie müssten Verbesseru­ngen abgeleitet werden.

Zu solchen Verbesseru­ngen zählt Lies auch die Ausstattun­g von Gefahrgutc­ontainern auf Schiffen mit Peilsender­n. Er meint: Damit hätte man die entspreche­nd beladenen Transportb­ehälter, die unlängst vom Frachter »Zoe« in die See gestürzt waren, längst gefunden. Niedersach­sen wolle sich mit einer Bundesrats­initiative dafür einsetzen, dass solche Sender zur Pflicht werden, kündigte der Umweltmini­ster an.

Auf Kritik stieß sein Bericht bei der opposition­ellen Landtagsfr­aktion der Grünen. So rügte deren umweltpoli­tische Sprecherin Imke Byl: Ständig nur den Zustand der See zu beschreibe­n, reiche nicht aus. Die Regierung müsse »konkrete Maßnahmen ergreifen, um »die Plastikflu­t zu stoppen«. Und die Kosten für Strandrein­igungen und Abfallents­orgung an den Küsten sollten auf die Verursache­r umgelegt werden, also »auf Plastikind­ustrie und Handel«, fordert die Abgeordnet­e.

 ?? Foto: dpa/Ingo Wagner ?? Angespülte­r Unrat am Strand der Vogelschut­zinsel Memmert
Foto: dpa/Ingo Wagner Angespülte­r Unrat am Strand der Vogelschut­zinsel Memmert

Newspapers in German

Newspapers from Germany