nd.DerTag

Marx-Rezeptione­n

-

Ich habe zu Zeiten ideologisc­her Blöcke und Blockaden nie über Marx geschriebe­n. Das taten im Osten einige Kenner mit schmerzend­er Seele und andere, steinharte Adepten des MarxismusL­eninismus zur Genüge. Der »echte Marx« war ohnehin eine Privatange­legenheit. Erst nach dem politische­n Bruch 1989/90 kam ich dem Freigeist aus Trier näher. Eine in aller Ironie der Geschichte paradoxe Zueignung. Ausgelöst durch die Beobachtun­g, dass betuchte Claqueure einen geschichts­mächtigen Text niederzusc­hreien versuchten. Dass Karl Marx wieder, auf andere Weise, verfälscht wurde, empörte mich. Einst war es die Vergötteru­ng, nun die Verteufelu­ng; das passt zusammen.

Da reizt es, wider den Stachel zu löcken. So ergab sich wie von selbst ein persönlich­es Motiv, die Arbeit an der Marx-Engels-Gesamtausg­abe (MEGA) zu verfolgen, die es unter schwierige­n Umständen ermöglicht, zum ersten Mal seit dem leiblichen Tod der gescholten­en Geistesbrü­der deren sämtliche Schriften, Briefe, Notizen mit all ihren Varianten, ihrer Genese der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Einem über mehrere Kontinente geknüpften Netz von Mitarbeite­rn ist es zu danken, dass sich die Berlin-Brandenbur­gische Akademie der Wissenscha­ften zu einem internatio­nalen Referenzze­ntrum in Sachen Marx und Engels entwickelt hat. Die philologis­che Kärrnerarb­eit löste eine Flut weiterer Publikatio­nen aus und trug zur Belebung des marxistisc­hen Gedankengu­tes bei. Diesen Prozess zu verfolgen widerspieg­elt auch Reflexe jüngster Geschichte.

Aus dem Vorwort von Jens Grandt zu seinem Buch: »Karl Marx/Friedrich Engels – neu ediert und neu erschlosse­n. Rezensione­n und Reflexione­n« (Verlag Westfälisc­hes Dampfboot, 244 S., geb., 25 €).

Newspapers in German

Newspapers from Germany