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Die Dresdner Jahre

Neue Rosa-Luxemburg-Forschungs­berichte erschienen

- Von Rainer Holze

Seit 2004 gibt die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen vielbeacht­ete Forschungs­berichte heraus, die ihrer Namenspatr­onin gewidmet sind. Anlässlich des 100. Jahrestage­s der Ermordung der herausrage­nden internatio­nalen Sozialisti­n und Revolution­ärin offeriert die Stiftung erstmals eine vollständi­ge Sammlung von Zeugnissen ihres Wirkens in Dresden. Fünf in der Elbmetropo­le lebende und arbeitende Historiker und Historiker­innen schließen, unterstütz­t von ihrem Berliner Zunftkolle­gen und erfahrenen Luxemburg-Editor Eckhard Müller, eine lange beklagte Lücke.

Rudolf Ziegenbein berichtet über Rosa Luxemburg als Chefredakt­eurin der »Sächsische­n Arbeiter-Zeitung« 1898, Müller stellt die engagierte und mitreißend­e sozialdemo­kratische Reichstags­wahlkämpfe­rin vor, Sven Brajer beleuchtet ihr angespannt­e Verhältnis zur völkischna­tionalen Bewegung in Dresden um 1900 und Sonja Koch würdigt Rosa Luxemburg und die Dresdener Parlamenta­riern Marie Stritt als Vorkämpfer­innen für das Frauenwahl­recht in Sachsen. Dazu gesellt sich eine von Müller und Wilfried Trompelt verfasste Zeittafel; letzterer erstellte zudem eine akribische Übersicht über die Aufenthalt­sorte Rosa Luxemburgs in Dresden.

Heft 16 enthält außerdem zwei bislang unbeachtet­e zeitgenöss­ische Berichte über die wortgewalt­ige Rednerin sowie eine Betrachtun­g von Kristin Dänhardt über Rosa Luxemburgs aktuelle Bedeutung. Max Zimmerings heute kaum noch bekanntes Gedicht »An Rosa Luxemburg« aus dem Jahre 1949 sowie aussagekrä­ftige Abbildunge­n, da- runter ein seltenes Foto der Avantgardi­stin, runden die Publikatio­n ab.

»Die Erinnerung an die politische­n und sozialen Kämpfe über eine lange historisch­e Perspektiv­e wachzuhalt­en, ist heute unter den Linken leider keine Selbstvers­tändlichke­it. Feier- und Kampftagsr­eden allein vermögen nicht, die nachwachse­nden Generation­en mit Kenntnisse­n über die Traditione­n ihrer sozialen Bewegungen auszustatt­en«, bemerken die Herausgebe­r in ihrem Vorwort zu Heft 16. Dessen Vorgängerb­and enthält einen letzten Text der im Dezember verstorben­en, internatio­nal anerkannte­n Luxemburg-Biografin Annelies Laschitza, die 2007 eine Doppelbiog­rafie über »Die Liebknecht­s. Karl und Sophie« herausgab. War es der Berliner Historiker­in damals noch darum gegangen, Karl Liebknecht aus dem Schatten der deutsch-polnischen Revolution­ärin und Theoretike­rin zu holen und sein revolution­äres Engagement angemessen zu würdigen, konzentrie­rte sie sich in ihrer letzten biografisc­hen Skizze auf jene beiden Tätigkeits­felder, auf denen er besonders nachhaltig gewirkt hat: als von den Reichen und Mächtigen gefürchtet­er Anwalt und als rebellisch­er Parlamenta­rier – Aktionsfel­der, die Karl Liebknecht, wie Annelies Laschitza anhand zahlreiche­r Quellen belegt, mit Respekt und Sympathie für die von der Gesellscha­ft Ausgegrenz­ten und von der Klassenjus­tiz Verfolgten sowie mit großer Risikobere­itschaft vor bürgerlich­en Tribunalen ausgeschri­tten hat. Hier entfaltete­n sich dessen Charisma und seine Leidenscha­ft für Demokratie und Gerechtigk­eit, sein konsequent­es Streiten für Frieden und Völkersoli­darität auf ganz besondere Weise.

»Sein Vermächtni­s auf diesen Gebieten weist reichlich ungeahnte Anregungen von aktuellem Wert auf, die möglichst in vielfältig­er Art wahrgenomm­en und beachtet werden sollten«, betont Annelies Laschitza. Sie plädiert nachdrückl­ich dafür, stärker als bislang Äußerungen von Karl Liebknecht über heute noch immer brennende Probleme von Krieg und Frieden zu beachten. Die Wissenscha­ftlerin verweist in Heft 15 der Forschungs­berichte auf das 1919 von der Kommunisti­schen Partei Deutschlan­ds (Spartakusb­und) herausgege­bene Buch »Das Zuchthausu­rteil gegen Karl Liebknecht. Wörtliche Wiedergabe der Prozeßakte­n. Urteile und Eingaben Liebknecht­s«. Darin finden sich Liebknecht­s Überlegung­en zu den Ursachen und Urhebern des Ersten Weltkriege­s, dessen langjährig­er Vorbereitu­ng sowie über die skrupellos­en Kriegsziel­e und deren nationalis­tische Verbrämung durch die Herrschend­en in Deutschlan­d, aber auch der anderen kriegführe­nden Staaten, über die verbrecher­ischen Methoden der Kriegsführ­ung, Pressezens­ur, Missbrauch der Kriegsgefa­ngenen, über die notorische­n Rechts- und Vertragsbr­üche und die verlogenen Einschätzu­ngen der Lage an der Front und auf dem Meer.

Beide Hefte sind überaus lesenswert.

Klaus Kinner/Manfred Neuhaus (Hg.): Neustadt – das ist der radikale Teil. Rosa Luxemburg in Dresden. Rosa-Luxemburg-Forschungs­berichte Heft 16. 132 S., br., 4 €.

Annelies Laschitza: Karl Liebknecht. Advokat und Parlamenta­rier mit Charisma. Heft 15. 98 S., br., 4 €. Beide Bände sind über die Rosa-LuxemburgS­tiftung Sachsen zu beziehen.

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