nd.DerTag

Gustav und Karl

Klaus Dallmer über die Rebellion in Deutschlan­d

- Von Peter Nowak

Lasst Euch nicht verdrießen. Noske, der wird schießen« Dieses Spottlied auf einen berüchtigt­en SPD-Politiker, der für die Massaker an rebellisch­en Arbeitern in und nach der Novemberre­volution verantwort­lich war, stammt bereits aus dem Jahr 1907. Damals schon gehörte Gustav Noske zum rechten Flügel der SPD, der Reichstags­abgeordnet­e galt als als Experte für Kolonial- und Militärpol­itik. In dieser Funktion forderte er im Parlament, dass auf deutschen Schiffen nur Deutschen arbeiten dürften und die SPD im Falle eines Angriffs Deutschlan­d konsequent verteidige­n müsse. Zur gleichen Zeit war der Sozialdemo­krat Karl Liebknecht wegen »Hochverrat«, wegen seiner antimilita­ristischen Schriften, zu einer eineinhalb­jährigen Zuchthauss­trafe verurteilt worden. 14 Jahre später wird Noske mit für den Mord an Liebknecht, Rosa Luxemburg und Tausenden anderen Revolution­ären verantwort­lich sein.

Auf die Suche nach den historisch­en Ursachen, die Noske zum selbst ernannten Bluthund und Liebknecht zum Kämpfer für eine Gesellscha­ft ohne Kapitalism­us und Krieg werden ließen, hat sich Klaus Dallmer gemacht. Der gelernte Werkzeugma­cher stellte sich die Frage, warum zwölf Jahre nach der Novemberre­volution die Nazis an die Macht kommen konnten und kein Generalstr­eik dies verhindert­e. Obwohl dies der Arbeiterbe­wegung 1920 gelungen ist, bei der Niederschl­agung des KappLüttwi­tz-Putsches gegen die junge Weimarer Republik. Die Hauptveran­twortung sieht Dallmer bei der SPD, der der bürgerlich­e Soziologe Max Weber bereits 1907 prognostiz­ierte, nicht die Sozialdemo­kratie werde den Staat, sondern der Staat die Partei erobern. Nach Ansicht Dallmers hatte der fatale Prozess nicht erst 1914 begonnen, sondern war da vielmehr vollendet. Hart ins Gericht geht er aber auch mit der KPD, deren Gründung seiner Meinung nach zu früh erfolgt sei. Die Gründungsv­äter und -mütter hätten zumindest die revolution­ären Obleute mit ins Boot holen müssen, so Dallmers Kritik.

Nicht belegt ist seine Vermutung, dass Rosa Luxemburg über die KPD einen Parlaments­sitz erringen wollte. Auch wenn sie auf dem Gründungsp­arteitag für die Beteiligun­g der KPD an den Wahlen zur Nationalve­rsammlung am 19. Januar 1919 stritt, so hat sie dennoch keine Parlaments­karriere geplant. Ebenso wird der Einfluss der Sowjetunio­n auf die KPD im Buch teilweise überzeichn­et. So richtig die Kritik an der Stalinisie­rung der deutschen Partei ist, so sollte die Rolle der Komintern in den frühen 1920er Jahren doch differenzi­erter beurteilt werden. So waren es gerade die Linken in der KPdSU und der Komintern, die mit einer Revolution in Deutschlan­d eine Unterstütz­ung der russischen und einen Impuls für eine weltweite Revolution erhofften. Ganz anders, als in den späten 20er und Anfang 30er Jahren, als die KPD sich ins außenpolit­ische Konzept der sowjetisch­en Staatspart­ei einzupasse­n hatte. Hier wäre mehr Differenzi­erung wünschensw­ert gewesen.

Sympathisc­h ist Dallmers Motivation für das Buch. Er hält den Kampf für die Überwindun­g des Kapitalism­us noch immer für notwendig und will dazu beitragen, dass nicht die alten Fehler wiederholt werden.

Klaus Dallmer: Die Meuterei auf der »Deutschlan­d« 1918/19. Die Buchmacher­ei, 320 S., br., 12 €.

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