Twitter ist kein Journalismus!
Eine Meldung hat dieser Tage das Land erschüttert, jedenfalls jenen Teil der Menschen, der beständig auf der Suche nach Bestätigung der eigenen Belanglosigkeit ist – die exzessiven Nutzer von Twitter und Facebook. Diese Meldung erschütterte die kleine Welt der Skandalisierungsblase ganz offensichtlich sehr nachhaltig. Robert Habeck, Vorsitzender der Grünen, gab seinen Abschied von Twitter und Facebook bekannt, künftig werde er nicht mehr über diese beiden Plattformen kommunizieren. »Twitter hilft nicht, ehrlich zu sprechen!«, begründete Habeck seine Entscheidung.
Anlass für ihn, sich aus der öffentlichen Online-Kommunikation auszuschalten, war, dass er zu jenen gehört, deren private Daten von einem Hacker (dass es nur einen Täter gibt, der die Daten einer Vielzahl von Bundestagsabgeordneten und Prominenten ausgespäht und im Internet veröffentlicht hat, ist der derzeitig der Öffentlichkeit bekannte Ermittlungsstand der Behörden) gestohlen wurden. Ein anderer Anlass ist ein Fauxpas, den sich Habeck via eines Video-Tweets geleistet hat. Er hatte auf Twitter angekündigt, dass die Grünen alles unternehmen werden, dass Thüringen nach der Landtagswahl in diesem Jahr wieder zu einem »offenen, freien, liberalen und demokratischen Land wird«.
Nun regieren die Grünen in dem Bundesland mit und Habeck sah sich dem ausgesetzt, was man auf Neudeutsch »Shitstorm« nennt. Hätte Habeck während einer Rede einen solchen Satz geäußert, die Reaktion aus dem
»Twitter hilft nicht, ehrlich zu sprechen.« Robert Habeck, Politiker
Publikum wäre eine unmittelbare gewesen und der Politiker hätte sich vermutlich sofort selbst korrigiert. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass der Vorsitzende einer Partei, die in einem Bundesland Teil einer Regierungskoalition sind, diese Regierung als undemokratisch einschätzt; zumal von Habeck diesbezüglich keine weiteren Äußerungen bekannt sind. Selbst die politischen Gegner hätten über einen solchen Fauxpas wenig Worte verloren.
Im Internet, vornehmlich in den beiden Kanälen Twitter und Facebook, sind derlei Anstandsregeln allerdings außer Kraft gesetzt. Und es sind nicht nur die unbekannten, die einfachen Nutzer, die Laien der Denunziation, die fortwährend dieses üble Spiel beitreiben, sondern ein Teil der Medien selbst. Massenmedial wurde von der »Bild« Habecks Tweet verbreitet und kommentiert – und ein Großteil der hiesigen Medien schloss sich der Kampagne an. Dem Grünen-Politiker wurde u.a. vorgeworfen, sich vor der Realität zu verstecken zu wollen. Auf diese Idee können nur jene kommen, die 140 Zeichen für Journalismus halten und nicht für plumpe Public Relations oder mehr oder wenig gut gemachtes Marketing! Ein Tweet hat den gleichen Wahrheitsgehalt wie ein Werbespot – er teilt alles über die Botschaft mit, aber nichts über den Inhalt des Gesagten.