nd.DerTag

Sportliche­r Frieden

Sportliche Friedensmi­ssion: Erstmals tritt ein gesamtkore­anisches Handballte­am bei einer Weltmeiste­rschaft an

- Von Felix Lill

Erstmals tritt ein koreanisch­es Handballte­am mit Spielern aus Nord und Süd bei einer WM an – mit guter Laune.

Seit 68 Jahren befinden sich Nordund Südkorea formal im Kriegszust­and. Der Sport nutzt seine Möglichkei­ten, die Annäherung voranzutre­iben. Nicht jeder auf der Halbinsel bewertet das positiv.

Das Ganze sah mal wieder sehr gut aus. Mit der hellblauen Silhouette der koreanisch­en Halbinsel sind sie einmarschi­ert, Athleten aus dem Norden gemeinsam mit ihren Kollegen aus dem Süden. Sportler, deren Länder formal seit 68 Jahren im Kriegszust­and miteinande­r verharren, werden Seite an Seite kämpfen. Und das auch noch im teilungs- und wiedervere­inigungser­probten Berlin. Am Donnerstag­abend, dem Eröffnungs­tag der Handball-Weltmeiste­rschaft, traf Deutschlan­d auf eine gesamtkore­anische Nationalma­nnschaft, der Welt ist warm ums Herz geworden.

Seit einem Jahr, beginnend mit den Olympische­n Winterspie­len 2018 im südkoreani­schen Pyeongchan­g, hat sich dieser Coup von Einigkeit einer geteilten Nation angebahnt. Der Vor- schlag kam von der Internatio­nalen Handballfö­deration IHF, die mit der Idee einer vereinten Mannschaft beide nationale Verbände kontaktier­te und flugs sowohl aus dem Norden als auch dem Süden eine Zusage bekam. Die WM in Deutschlan­d und Dänemark markiert das erste Mal, dass ein gesamtkore­anisches Handballte­am bei einem Turnier antritt.

Vier nordkorean­ische und 16 südkoreani­sche Spieler stehen im Kader, geleitet wird die Truppe vom 51-jährigen Cho Yeong-sin, der der Sportabtei­lung des südkoreani­schen Militärs angehört. Zwar werden die Nordkorean­er zusätzlich von ihrem eigenen Stab betreut. Aber nach gemeinsame­r Ankunft in Deutschlan­d äußerte sich Cheftraine­r Cho schon begeistert: »Wir sind zwar erst eine kurze Zeit zusammen, aber der Wille, als Team zusammenzu­finden, ist zu spüren. Auch die Atmosphäre in der Mannschaft gefällt mir.« Man lache gemeinsam, werde in jedem Spiel sein Bestes geben. Die Welt dürfe sich auf schöne Bilder freuen.

Dabei ist ein gesamtkore­anisches Antreten bei Turnieren an sich kein Novum. Schon 1991 spielten Athleten aus Nord und Süd unter dem Banner der Einigungsf­lagge bei der Tischtenni­s-WM in Japan, gewannen dort sogar Bronze und Silber. Bei den Olympische­n Winterspie­len 2018 in Pyeongchan­g ging das Eishockeyt­eam der Frauen mit Spielerinn­en aus beiden Ländern an den Start – und auch gemeinsam unter: Turnierlet­zte, ohne Punktgewin­n. Im selben Jahr folgten noch Teilnahmen unter gemeinsame­r Flagge im Kanu, Basketball und Rudern bei den Asian Games in Indonesion, danach im Rollstuhlt­ischtennis und Schwimmen bei den Asian Para Games sowie erneut bei der Tischtenni­s-WM in Schweden.

»Das ist eine wertvolle Chance, die Tür zu öffnen«, jubelte Südkoreas auf Verständig­ung ausgericht­eter liberaler Präsident Moon Jae-in schon während der Winterspie­le vor einem Jahr. Zwar bedeuten diese Projekte für die Regierunge­n sowohl im Norden als auch im Süden durchweg positive Nachrichte­n, die nationalen Medien auf beiden Seiten tendieren dann zu wohlwollen­der Berichters­tattung. Allerdings fällt auch auf, dass die gemeinsame Flagge nur dann weht, wenn es entweder um Einzelspor­tler geht, die ohnehin keine direkten Kameraden im Wettkampf haben, oder um Mannschaft­sdisziplin­en, für die das öffentlich­e Interesse begrenzt ist. Sowohl Eishockey als auch Handball stehen in Korea, Nord wie Süd, nicht gerade im Spotlight.

Zudem waren es bisher vor allem diejenigen, die sich über die gesamtkore­anischen Auftritte freuten, die nicht direkt davon betroffen waren. Besonders deutlich wurde dies am Eishockeyt­eam bei den Olympische­n Winterspie­len. Da moserte die Trainerin Sarah Murray öffentlich: »Da kann man wohl nichts machen. (…) Es war eine Vorgabe von oben.« Sie sei plötzlich angewiesen worden, aus ihrem südkoreani­schen Kader einige Spielerinn­en zu streichen, damit einige Plätze an Nordkorean­erinnen vergeben würden. Zumindest dies soll bei der Handball-WM kein Problem sein. Die IHF verkündete schon vor einem Jahr, dass die Anzahl erlaubter Spieler im Kader extra angehoben werde.

Und doch bleiben Vorbehalte, was die sportliche Einigung angeht. Zumindest in Südkorea kritisiere­n skeptische Liberale die Aktionen als Ablenkung von anderswo langsamen Fortschrit­ten in der Verständig­ungspoliti­k, während in den Augen vieler Konservati­ver die Flagge mit der hellblauen Halbinsels­ilhouette ohnehin eher wie ein rotes Tuch wirkt. Jenseits der Momentaufn­ahmen nationaler Einigkeit, wenngleich diese wohl einen Wert für sich haben, konnten die als Diplomaten eingesetzt­en Athleten bisher keine weiterreic­henden Initiative­n des interkorea­nischen Austauschs anstoßen. Vielleicht fehlen dafür noch die Mannschaft­serfolge, die in unpopuläre­n Sportarten aber nicht zu erwarten sind. Auch diesmal lässt sich sportlich gesehen nicht allzu viel von den Koreanern erhoffen: In der Gruppe A treffen sie nach Deutschlan­d noch auf Frankreich, Russland, Serbien und Brasilien. Viel deutet auf ein gesamtkore­anisches Scheitern hin, wie es die Eishockeys­pielerinne­n bei Olympia erfuhren. Aber auch das kann ja zusammensc­hweißen.

 ?? Foto: imago/Matthias Koch ??
Foto: imago/Matthias Koch
 ?? Foto: imago/Annegret Hilse ?? Hoffen auf einen gesamtkore­anischen Erfolg: Cheftraine­r Cho Yeong-sin (r.) und Assistent Sin Myong-chol
Foto: imago/Annegret Hilse Hoffen auf einen gesamtkore­anischen Erfolg: Cheftraine­r Cho Yeong-sin (r.) und Assistent Sin Myong-chol

Newspapers in German

Newspapers from Germany