Ein entpolitisierter Überfall
Drei Jahre nach der Naziattacke in Leipzig-Connewitz wächst die Kritik an der Justiz
Leipzig. Die juristische Aufarbeitung des Naziüberfalls auf das alternative Leipziger Szeneviertel Connewitz vor drei Jahren verläuft aus Sicht der Bewohner und Betroffenen ernüchternd. Am Leipziger Amtsgericht sind seit dem ersten Prozess im August 2018 erst fünf Verfahren gegen insgesamt zehn Angeklagte abgeschlossen worden; ein für diesen Donnerstag angesetztes sechstes wurde kurzfristig vertagt, weil ein Verteidiger erkrankt sein soll. »Das ist zu langsam«, sagt Juliane Nagel, in dem Stadtteil direkt gewählte Landtagsabgeordnete der sächsischen LINKEN. »Wenn das so weitergeht, dauert das noch Jahre.«
Bei dem Überfall am 11. Januar 2016 hatten rund 250 Neonazis Geschäfte, Kneipen und Autos mit Stangen und Stöcken demoliert; es entstand ein Sachschaden von 113 000 Euro. Die Täter hätten »eine komplette Straße zerlegt und jegliches Eigentum zerstört«, sagte die Staatsanwältin im ersten Prozess. Es ging aber um mehr: Connewitz gilt als linksalternatives Viertel; die Täter – unter ihnen Mitglieder von Kameradschaften, NPD-Leute, Hooligans und Kampfsportler – wollten die Szene quasi in deren »Wohnzimmer« angreifen. Sie wählten dazu das Datum, an dem die Legida-Bewegung ihren ersten Jahrestag feierte. Der Überfall war offenbar detailliert geplant; mobilisiert wurde bis in benachbarte Bundesländer.
Um die Hintergründe des Angriffs aber geht es in den Prozessen ebenso wenig, wie um die politische Vergangenheit der Angeklagten und deren Netzwerke, kritisiert Hannes Heinze von der Initiative »Rassismus tötet«. Vielmehr treffen die Beteiligten vor Gericht seit dem zweiten Prozess Verfahrensabsprachen, bei denen selbst dürftige Geständnisse mit Bewährungsstrafen honoriert werden. Einer der größten und am besten organisierten Neonaziangriffe in Sachsen werde so »entpolitisiert«, kritisiert Heinze.