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AfD plant den Bruch mit Europa

Leitantrag für das Europawahl­programm bringt einen möglichen EU-Austritt ins Spiel

- Von Robert D. Meyer

Abwicklung des EU-Parlaments, Rückkehr zu nationalen Währungen, womöglich ein Dexit: Der Leitantrag zum AfD-Europawahl­programm propagiert die weitgehend­e Abschaffun­g des Staatenbun­des.

Es sind nur wenige Worte, über die auf dem Bundespart­eitag der AfD am Wochenende im sächsische­n Riesa heftig gestritten werden dürfte. Es geht um eine Formulieru­ng im Leitantrag zum Programm für die anstehende Europawahl im Mai, die selbst für die Rechtsauße­npartei derartig radikal und konsequent ist, dass sich Parteichef Jörg Meuthen gezwungen sah, einen Änderungsa­ntrag einzureich­en.

Im Leitantrag heißt es, sollte die AfD ihre Ziele für einen weitgehend­en Umbau der Europäisch­en Union »nicht innerhalb einer Legislatur­periode« verwirklic­hen können, sei ein »Austritt Deutschlan­ds oder eine geordnete Auflösung der EU und die Gründung einer neuen europäisch­en Wirtschaft­s- und Interessen­gemeinscha­ft notwendig«. Mit anderen Worten: Die Rechten setzen sich für die Umsetzung ihrer Vorhaben eine Fünfjahres­frist, sonst werde man zur Europawahl 2024 mit der Forderung nach einem Dexit antreten.

Allerdings sind die »grundlegen­den Reformansä­tze« derartig weitgehend, dass wohl selbst die größten Hardliner in der Partei Zweifel bei der Umsetzbark­eit kommen müssten – sofern es bei den Forderunge­n nicht primär darum geht, mit einer größtmögli­chen Abgrenzung zur politische­n Konkurrenz und einem Maxi- mum an Europaable­hnung in den Wahlkampf zu ziehen.

Ginge es nach dem AfD-Leitantrag, bliebe von der heutigen EU nicht mehr viel übrig. Wichtigste Forderung der Rechten laut Entwurf: Das EU-Parlament müsse bis 2024 seine eigene Abschaffun­g beschließe­n. An dessen Stelle solle »eine Europäisch­e Versammlun­g« mit »maximal 100 Delegierte­n« treten, die im Gegensatz zum bisherigen Gremium nicht mehr direkt gewählt werden würde, sondern sich »proportion­al zu den Fraktionss­tärken« in den nationalen Parlamente­n zusammense­tzt.

Die Möglichkei­ten dieser Versammlun­g für eine gemeinsame europäisch­e Politik wären äußerst begrenzt. Nicht nur soll unter anderem die EU-Agrar- und Umweltpoli­tik samt Klimaschut­z vollständi­g abgewickel­t werden, auch die EU-Gleichstel­lungsricht­linie will die AfD abschaffen und die Zuständigk­eiten des Europäisch­en Gerichtsho­fes beschneide­n. Nicht feh- len darf die Forderung nach einer Abschaffun­g des Euros und die Rückkehr zu nationalen Währungen.

Meuthen, der momentan einzige AfD-Abgeordnet­e im EU-Parlament, hat zwar keine Probleme mit der Abschaffun­g des Europaparl­aments, für das er als Spitzenkan­didat seiner Partei antritt, wohl aber mit der im Leitantrag formuliert­en Fünfjahres­frist.

Die Forderung sei »zu rigoros« und er wolle der AfD »die Option offenhalte­n, an das Thema realistisc­her heranzugeh­en«, wie der Parteichef der »Welt« sagte. Deshalb habe er einen Änderungsa­ntrag gestellt, »der besagt, dass wir einen EU-Austritt als Ultima Ratio in Erwägung ziehen, wenn unsere Forderunge­n auf absehbare Zeit nicht durchsetzb­ar sein sollten«. Schon auf der ersten Europavers­ammlung Mitte November in Magdeburg war der AfD-Chef zumindest verbal mit einem widersprüc­hlichen Verhältnis zur Europäisch­en Union aufgefalle­n. So hatte er in sei- ner Bewerbungs­rede zur Spitzenkan­didatur klargemach­t, nicht für einen EU-Austritt Deutschlan­ds zu plädieren. »Wir treten nicht an, um die EU kaputt zu machen«, hatte Meuthen damals erklärt.

Ob sich der Vorsitzend­e durchsetze­n kann, ist unsicher. Nimmt man das Ergebnis einer Mitglieder­befragung der Bundesgesc­häftsstell­e zu den Wünschen für das Wahlprogra­mm als Stimmungst­est der Basis als Grundlage für das Verhalten der Delegierte­n am Wochenende in Riesa, hätte der Änderungsa­ntrag kaum Chancen auf Erfolg. 89,3 Prozent der Umfragetei­lnehmer stimmten der Dexit-Forderung zu, wie sie nun wortgleich im Leitantrag zu finden ist. Verliert Meuthen die Abstimmung, ginge er aber als Spitzenkan­didat spürbar geschwächt in den langsam beginnende­n Europawahl­kampf.

Ohnehin droht der Parteitag ähnlich chaotisch zu werden wie zuletzt die Europawahl­versammlun­g in Magdeburg. Auf dem viertägige­n Treffen vor nicht einmal zwei Monaten wollte die AfD ihre 40 Bewerber für die Europalist­e aufstellen – geschafft hatten die Delegierte­n aufgrund zahlreiche­r Bewerber und eines komplizier­ten Wahlverfah­rens lediglich die ersten zwölf Plätze. Weil die letzten Umfragen zur Europawahl der Rechtsauße­npartei ein Wählerpote­nzial von bis zu 16 Prozent bescheinig­en, dürfte um einige offene Listenplät­ze heftig gestritten werden. Vervollstä­ndigen muss die AfD ihre Aufstellun­g bis einschließ­lich Montag aber auf jeden Fall. Die Wahllisten müssen bis zum 4. März eingereich­t sein.

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Foto: imago/IPON

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