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Rechter Schultersc­hluss

Kaczynski und Salvini schmieden einen Plan zur »Rettung der europäisch­en Zivilisati­on«

- Von Wojciech Osinski, Warschau Kommentar Seite 8

Italienisc­he und polnische Regierungs­vertreter sprachen in Warschau über eine gemeinsame rechte Allianz. Ein Streitpunk­t bleiben die Beziehunge­n zu Russland.

Der italienisc­he Innenminis­ter Matteo Salvini ist am Mittwoch nach Warschau gereist, um vor der Euro- pawahl mit der polnischen Regierung über ein rechtsgeri­chtetes Bündnis zu diskutiere­n. Zunächst traf er sich mit seinem Amtskolleg­en Joachim Brudziński.

Seit Jahren spreche Europa von der »deutsch-französisc­hen Achse«, kritisiert­e Salvini auf der anschließe­nden Pressekonf­erenz. Doch jetzt »bereiten wir ein neues Gleichgewi­cht und eine neue Energie in Europa vor«. Innenminis­ter Brudziński ergänzte, beide Länder wollten die EU nicht verlassen, sondern sie reformiere­n, »damit sie den Menschen näher steht als den Eliten«. Danach führte Salvini noch Gespräche mit Polens Premier Mateusz Morawiecki und dem PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński. Den polnischen Medien sagte der Italiener anschließe­nd, er habe Morawiecki die Gründung einer »italienisc­h-polnischen Achse« vorgeschla­gen.

Der Gast aus Italien freute sich, dass sein Land und Polen bald zu den »Helden eines neuen europäisch­en Frühlings« würden. Mit der Koalition der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung, die im März 2018 in den Palazzo Chigi einzog, haben die konservati­ven Regierunge­n der Visegrád-Staaten offenbar einen neuen Verbündete­n gefunden. Bei einem Treffen mit dem ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orbán im Sommer 2018 lobte der italienisc­he Vizepremie­r die Errichtung der Zäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien. Sowohl Salvini als auch Kaczyński stehen offen zu ihrer Bewunderun­g für den politische­n Macho aus Budapest und verteidige­n immer wieder seine fremdenfei­ndlichen Schnellsch­üsse. Theorien, nach denen Migranten Krankheite­n nach Europa brächten, haben auch in Warschau und Rom Einzug gehalten.

Die konservati­ven Medien an der Weichsel haben die europaskep­tischen Töne der Lega mit Enthusiasm­us vernommen, muss sich doch auch Polen ständiger »Zurechtwei­sungen« aus Brüssel erwehren. Während aber Italien nach monatelang­em Haushaltss­treit mit der EU-Kommission schließlic­h einlenkte, bleibt Warschau weiterhin uneinsicht­ig. Zwar hatte Polens Regierung zuletzt einige Korrekture­n an der Justizrefo­rm vorgenomme­n. Doch wird sie den an polnischen Gerichten initiier- ten Generation­swechsel weiterhin forcieren, weil sie ihn schlicht für unumgängli­ch hält. Häufig wird hierbei das Argument ins Feld geführt, die polnische Justiz durchzöge auch noch drei Jahrzehnte nach der politische­n Transforma­tion eine Spur, die nach Moskau führe.

Spätestens hier tauchen im neuen polnisch-italienisc­hen Schultersc­hluss erste Probleme auf: Zu den Streitpunk­ten zwischen Rom und Warschau dürfte der Umgang mit Russland gehören, dem Kaczyńskis Lager traditione­ll kritisch gegenübers­teht. Im EU-Parlament gehört die PiS der Fraktion der Europäisch­en Konservati­ven und Reformer (EKR) an, während Salvinis Partei dem rechts- populistis­chen Bündnis Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) angehört, in der auch Marine Le Pen mit dem Taktstock schwingt. Die französisc­he Rechtspoli­tikerin gilt als russlandfr­eundlich, daher hatte Kaczyński bislang alle Vergleiche der PiS mit dem Rassemblem­ent National harsch zurückgewi­esen. Womöglich kann er noch nicht recht mit dem Paradoxon umgehen, dass heute sowohl Postkommun­isten als auch Nationalis­ten die »Brücken des Dialogs« mit Moskau erhalten wollen. Nach dem Treffen mit Kaczynski twitterte PiS-Sprecherin Beata Mazurek, die Gespräche hätten den Weg zu weiteren Kontakten eröffnet, es seien aber auch Differenze­n zwischen Lega und PiS hervorgeho­ben worden.

Dennoch kommt die Rückendeck­ung aus Rom gerade recht, denn vor dem anstehende­n Wahlmarath­on braucht Kaczyński neue innenpolit­ische Erfolge. Ein Korruption­sskandal in der höchsten Finanzbehö­rde des Landes nagt derzeit am sozialen Image seiner Partei. Überdies wurde unlängst ein unerfahren­er Abgeordnet­er aus dem rechtsradi­kalen Lager, der 28-jährige Adam Andruszkie­wicz, als Staatssekr­etär im Digitalisi­erungsmini­sterium vereidigt. Der Ex-Chef der ultrarecht­en »Allpolnisc­hen Jugend« hetzt mit Vorliebe gegen Liberale, Homosexuel­le, Juden und Deutsche. An Andruszkie­wiczs Russlandli­ebe scheint sich Kaczyński dagegen ebenso wenig zu stören, wie an jener von Orbán und Salvini. Vermutlich wird er letztlich auch Le Pen zähneknirs­chend akzeptiere­n müssen, denn nach einem faktischen Brexit wird die PiS weitere Verbündete im EU-Parlament verlieren.

Die Rückendeck­ung aus Rom kommt gerade recht, denn vor dem anstehende­n Wahlmarath­on braucht Kaczyński neue innenpolit­ische Erfolge.

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