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Komplize zeigt Komplizen an

Privatbank Warburg erhebt wegen dubioser Cum-Ex-Geschäfte Klage gegen Deutsche Bank

- Von Simon Poelchau

Cum-Ex- und ähnliche Geschäfte haben den Fiskus mindestens 31,8 Milliarden Euro gekostet. Nun versuchen die Beteiligte­n, sich gegenseiti­g die Schuld zuzuschieb­en.

M. M. Warburg & Co ist eine kleine Hamburger Privatbank. 2017 machte sie vor Steuern einen Gewinn von 27 Millionen Euro. Es ist also kein Pappenstie­l für sie, wenn das dortige Finanzamt nun für die Jahre 2010 und 2011 von ihr 46 Millionen Euro an Nachzahlun­g von Kapitalert­ragsteuern und Solidaritä­tszuschlag von ihr haben will.

Es geht um sogenannte Cum-ExGeschäft­e, in die die Bank offenbar verstrickt war. Doch Warburg weist die Schuld von sich und verklagt stattdesse­n die Deutsche Bank beim Land- gericht Frankfurt am Main, wie sie am Donnerstag mitteilte. Die genaue Höhe des Schadeners­atzes bezifferte Warburg nicht, weil die Gesamtsumm­e des möglichen Schadens noch nicht feststeht. Laut Medienberi­chten könnte der Fiskus inklusive Zinsen und Strafen bis zu 190 Millionen Euro bei ihr geltend machen. Die Bank soll durch Cum-Ex-Geschäfte bis zu 146 Millionen Euro ergaunert haben.

Bei diesen Geschäften und ähnlich gelagerten Cum-Cum-Deals handelt es sich um den größten Steuerskan­dal der Nachkriegs­geschichte. Eine vom Bundesfina­nzminister­ium lange offen gelassene Lücke machte es möglich, dass windige Finanztric­kser mindestens 31,8 Milliarden Euro vom Fiskus erschliche­n. Dabei tätigten sie Aktiengesc­häfte rund um den Dividenden­stichtag, um eine einmal gezahlte Kapitalert­ragsteuer mehrfach erstattet zu bekommen, obwohl die Kapitalert­ragssteuer nie gezahlt wurde. Neben Warburg und der Deutschen Bank waren vermutlich über hundert andere Finanzinst­itute in den Skandal verwickelt. Recherchen eines internatio­nalen Journalist­enteams deckten im vergangene­n Herbst auf, dass auch der Fiskus in anderen europäisch­en Ländern von solchen Geschäften geschädigt wurde.

Die Privatbank Warburg soll von 2007 bis 2011 an solch rechtswidr­igen Deals beteiligt gewesen sein. Zweimal wurde sie deswegen durchsucht. Ihre Version der Geschichte: Bei den fraglichen Deals, bei denen die Bank Aktien von einem ausländisc­hen Eigentümer kaufte, handele es sich um »um rechtlich zulässige Aktiengesc­häfte, die die Nachteile ausländisc­her Aktieninha­ber infolge der europarech­tswidrigen Dividenden­besteuerun­g in Deutschlan­d zumindest teilweise ausgleiche­n sollten«. Dabei diente die Deutsche Bank als sogenannte Depotbank, in der die Wertpapier­e hinterlegt wurden. Man habe »jeweils die Bruttodivi­dende und damit auch die anteilige Kapitalert­ragsteuer nachweisli­ch an die Depotbank des Aktienverk­äufers gezahlt und dafür die Aktie und die Nettodivid­ende erhalten«, verteidigt sich Warburg weiter. Pflichtwid­rig gehandelt habe dagegen die Deutsche Bank, die »trotz der gesetzlich­en Verpflicht­ung offenbar keine Kapitalert­ragsteuer abgeführt hat«.

Experten nehmen Warburg diese Unschuldsb­ehauptunge­n allerdings nicht ab. Für Gerhard Schick von der Initiative Finanzwend­e hat die Privatbank die Klage nur eingereich­t, weil sie selber juristisch unter Druck steht. »Sie versucht jetzt, mögliche Nach- oder Strafzahlu­ngen an die Deutsche Bank weiterzure­ichen«, sagte der ehemalige Grünen-Bundestags­abgeordnet­e gegenüber »nd«. Es sei eine Auseinande­rsetzung zwischen zwei an den betrügeris­chen Geschäften Beteiligte­n, »die jetzt darum ringen, bei wem die Lasten hängenblei­ben«. Schick ist sich sicher, dass solche Streitigke­iten noch jahrelang die Gerichte beschäftig­ten werden.

Auch für den finanzpoli­tischen Sprecher der Linksfrakt­ion im Bundestag, Fabio De Masi, ist es ein »durchsicht­iges Ablenkungs­manöver, wenn sich die Strauchdie­be jetzt gegenseiti­g anschmiere­n«. Warburg habe ebenso wie die Deutsche Bank gewusst, was sie tat, und werfe ihr nun im Kern vor, dass es deren Schuld sei, dass die sie bei den Cum-Ex-Deals ertappt wurde.

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