Komplize zeigt Komplizen an
Privatbank Warburg erhebt wegen dubioser Cum-Ex-Geschäfte Klage gegen Deutsche Bank
Cum-Ex- und ähnliche Geschäfte haben den Fiskus mindestens 31,8 Milliarden Euro gekostet. Nun versuchen die Beteiligten, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben.
M. M. Warburg & Co ist eine kleine Hamburger Privatbank. 2017 machte sie vor Steuern einen Gewinn von 27 Millionen Euro. Es ist also kein Pappenstiel für sie, wenn das dortige Finanzamt nun für die Jahre 2010 und 2011 von ihr 46 Millionen Euro an Nachzahlung von Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschlag von ihr haben will.
Es geht um sogenannte Cum-ExGeschäfte, in die die Bank offenbar verstrickt war. Doch Warburg weist die Schuld von sich und verklagt stattdessen die Deutsche Bank beim Land- gericht Frankfurt am Main, wie sie am Donnerstag mitteilte. Die genaue Höhe des Schadenersatzes bezifferte Warburg nicht, weil die Gesamtsumme des möglichen Schadens noch nicht feststeht. Laut Medienberichten könnte der Fiskus inklusive Zinsen und Strafen bis zu 190 Millionen Euro bei ihr geltend machen. Die Bank soll durch Cum-Ex-Geschäfte bis zu 146 Millionen Euro ergaunert haben.
Bei diesen Geschäften und ähnlich gelagerten Cum-Cum-Deals handelt es sich um den größten Steuerskandal der Nachkriegsgeschichte. Eine vom Bundesfinanzministerium lange offen gelassene Lücke machte es möglich, dass windige Finanztrickser mindestens 31,8 Milliarden Euro vom Fiskus erschlichen. Dabei tätigten sie Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag, um eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet zu bekommen, obwohl die Kapitalertragssteuer nie gezahlt wurde. Neben Warburg und der Deutschen Bank waren vermutlich über hundert andere Finanzinstitute in den Skandal verwickelt. Recherchen eines internationalen Journalistenteams deckten im vergangenen Herbst auf, dass auch der Fiskus in anderen europäischen Ländern von solchen Geschäften geschädigt wurde.
Die Privatbank Warburg soll von 2007 bis 2011 an solch rechtswidrigen Deals beteiligt gewesen sein. Zweimal wurde sie deswegen durchsucht. Ihre Version der Geschichte: Bei den fraglichen Deals, bei denen die Bank Aktien von einem ausländischen Eigentümer kaufte, handele es sich um »um rechtlich zulässige Aktiengeschäfte, die die Nachteile ausländischer Aktieninhaber infolge der europarechtswidrigen Dividendenbesteuerung in Deutschland zumindest teilweise ausgleichen sollten«. Dabei diente die Deutsche Bank als sogenannte Depotbank, in der die Wertpapiere hinterlegt wurden. Man habe »jeweils die Bruttodividende und damit auch die anteilige Kapitalertragsteuer nachweislich an die Depotbank des Aktienverkäufers gezahlt und dafür die Aktie und die Nettodividende erhalten«, verteidigt sich Warburg weiter. Pflichtwidrig gehandelt habe dagegen die Deutsche Bank, die »trotz der gesetzlichen Verpflichtung offenbar keine Kapitalertragsteuer abgeführt hat«.
Experten nehmen Warburg diese Unschuldsbehauptungen allerdings nicht ab. Für Gerhard Schick von der Initiative Finanzwende hat die Privatbank die Klage nur eingereicht, weil sie selber juristisch unter Druck steht. »Sie versucht jetzt, mögliche Nach- oder Strafzahlungen an die Deutsche Bank weiterzureichen«, sagte der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete gegenüber »nd«. Es sei eine Auseinandersetzung zwischen zwei an den betrügerischen Geschäften Beteiligten, »die jetzt darum ringen, bei wem die Lasten hängenbleiben«. Schick ist sich sicher, dass solche Streitigkeiten noch jahrelang die Gerichte beschäftigten werden.
Auch für den finanzpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Fabio De Masi, ist es ein »durchsichtiges Ablenkungsmanöver, wenn sich die Strauchdiebe jetzt gegenseitig anschmieren«. Warburg habe ebenso wie die Deutsche Bank gewusst, was sie tat, und werfe ihr nun im Kern vor, dass es deren Schuld sei, dass die sie bei den Cum-Ex-Deals ertappt wurde.