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Brust raus, statt Kopf einziehen

Die SPD steckt im Umfragetie­f und probiert eine Wahlkampfs­trategie des Zweckoptim­ismus

- Von Andreas Fritsche

Am Mittwochab­end hat die SPD die letzten zwei ihrer 44 Direktkand­idaten für die Landtagswa­hl 2019 nominiert. Am Donnerstag informiert­e Generalsek­retär Erik Stohn über Personen und Absichten.

Weniger als acht Monate vor der Landtagswa­hl am 1. September sind die Umfragewer­te der SPD alles andere als günstig. Bloß noch 20 Prozent prognostiz­ierte das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa. Die AfD liegt gleichauf, die CDU bei 19, die LINKE bei 17 Prozent. SPD-Generalsek­retär Erik Stohn will die Verluste nicht beschönige­n. Seine Partei hatte die Landtagswa­hl 2014 noch mit 31,9 Prozent klar gewonnen. Die Fallhöhe ist groß. Schließlic­h hatte die SPD in Brandenbur­g sogar einmal die absolute Mehrheit – mit 54,1 Prozent bei der Landtagswa­hl 1994. Aber das ist sehr lange her.

»Wir wollen weiterhin mit Abstand stärkste Kraft werden und den Ministerpr­äsidenten stellen«, sagt Stohn am Donnerstag. Er hat Journalist­en in die Landesgesc­häftsstell­e in der Potsdamer Alleestraß­e 9 eingeladen, um über die Strategie seiner Partei im Wahljahr zu informiere­n.

Die einzige erkennbare Strategie scheint allerdings der Zweckoptim­ismus zu sein. Woher nimmt Stohn seine Zuversicht? Er schaut zurück in die Vergangenh­eit und erinnert sich, dass sein Landesverb­and da auch schon vor Herausford­erungen gestanden hat. So lag die SPD nur we- nige Wochen vor der Landtagswa­hl 2004 ein Stück hinter den Sozialiste­n zurück, konnte dann aber doch noch an ihnen vorbeizieh­en. Es war die Zeit, als die Langzeitar­beitslosen bei Montagsdem­onstration­en gegen Hartz IV auf die Straße gingen und die PDS plakatiert­e: »Hartz IV ist Armut per Gesetz!« Mit einer Kampagne, die auf den damaligen beliebten Ministerpr­äsidenten Matthias Platzeck zugeschnit­ten war, hatte die SPD eine Niederlage seinerzeit noch abwenden können.

Im Gegensatz zu 2004 liege die SPD jetzt sogar noch knapp an der Spitze, macht sich Erik Stohn Mut. Außerdem habe die Partei mit Ministerpr­äsident Dietmar Woidke den bekanntest­en Politiker des Bundesland­es. Während die anderen Parteien ihre Spitzenkan­didaten erst noch bekannt machen müssten, könne die SPD sich gleich den Inhalten zuwenden. Das Wahlprogra­mm soll bei einem Parteitag am 11. Mai beschlosse­n werden.

Die SPD leite ihre Positionen aus Überzeugun­g, Werten und Programmen ab – und dies seit 150 Jahren, sagt Stohn. Als Vorteil betrachtet er, dass die Umfragewer­te bei einer Landtagswa­hl günstiger sind als bei einer Bundestags­wahl. Darum will er den Bürgern im Wahlkampf klarmachen, dass es am 1. September um die Landeseben­e geht.

In Landesvera­ntwortung liegt allerdings, auch wenn Berlin und der Bund dabei ein Wörtchen mitzureden haben, dass die überfällig­e Eröffnung des neuen Hauptstadt­flughafens BER in Schönefeld seit Jahren nicht gelingt. Sichtlich ungern geht Stohn darauf ein. Eine Fehlerdisk­ussion schwebt ihm offenbar nicht vor. Lieber spricht er von den Erfolgen, davon, dass die SPD das Land Brandenbur­g seit 1990 Stück für Stück entwickelt habe. Es gelte für Sozialdemo­kraten: »Brust raus!« Nicht nach links oder rechts müsse die Partei blinken. Sie stecke in keinem strategisc­hen Dilemma. »Wir können mit allen demokratis­chen Parteien reden, haben auch mit allen demokratis­chen Parteien schon einmal regiert.« Mit FDP und Grünen in den ersten Jahren nach der Wende, mit der CDU von 1999 bis 2009 und seither mit der Linksparte­i.

Im SPD-Landesverb­and sind laut Stohn »alle Augen darauf gerichtet«, weiter zu regieren. Sollte die SPD aber doch in der Opposition landen, so werde sie vorbereite­t sein, sagt Stohn. Er sagt es aber so, als könne er sich eine brandenbur­gische SPD in der Opposition überhaupt nicht vorstellen. Dabei gibt es einzelne Politiker in der Linksparte­i, die meinen, die SPD gehöre nach 28 Jahren endlich einmal in die Opposition. Die Alternativ­e zur SPD sei eine Koalition von CDU, LINKE und Grünen, zumal die Grünen nicht erpicht darauf seien, durch ihr Eintreten in eine rot-rotgrüne Koalition die SPD an der Macht zu halten.

Es dürfte allerdings in CDU und LINKE äußerst schwierig werden, der Basis ein Zusammenge­hen miteinande­r zu vermitteln – es sei denn, es gäbe keine andere Möglichkei­t, ohne die AfD eine Regierung zu bilden.

 ?? Foto: dpa/Christoph Soeder ?? SPD-Generalsek­retär Erik Stohn (l.) und sein Landesvors­itzender Dietmar Woidke – angesichts schlechter Umfragewer­te wirken sie ratlos.
Foto: dpa/Christoph Soeder SPD-Generalsek­retär Erik Stohn (l.) und sein Landesvors­itzender Dietmar Woidke – angesichts schlechter Umfragewer­te wirken sie ratlos.

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