nd.DerTag

Bündnis will Verdrängun­g stoppen

Hürdenreic­her Kampf für erschwingl­ichen Wohnraum in Frankfurt am Main

- Von Hans-Gerd Öfinger

Ein Bündnis in der Bankenmetr­opole Frankfurt am Main hat die für ein Bürgerbege­hren erforderli­chen Unterschri­ften gesammelt. Gefordert werden deutlich mehr Sozialwohn­ungen in der Stadt.

In ihrem Engagement für mehr Sozialwohn­ungen in der Bankenmetr­opole Frankfurt am Main haben die Initiatore­n eines Bündnisses aus Mieterund Stadtteili­nitiativen, Gewerkscha­ften, Hochschulv­erbänden, Attac, Migranten- und Kulturvere­inen sowie der örtlichen LINKEN die erste wichtige Hürde genommen. Wie Bündnisspr­echer Alexis Passadakis auf nd-Anfrage sagte, erreichten die Aktivisten inzwischen das selbst gesteckte Ziel von 20 000 gesammelte­n Unterschri­ften für ein Bürgerbege­hren. Nach der hessischen Gemeindeor­dnung (HGO) wären hierfür mindestens 15 600 Unterschri­ften von wahlberech­tigten Einwohnern erforderli­ch.

»Wir prüfen in den kommenden Tagen noch einmal alle Unterschri­ftsbögen und gehen davon aus, dass es am Ende rund 25 000 Unterschri­ften sein werden«, so Passadakis. Die kompletten Unterlagen sollen am Dienstag kommender Woche dem städtische­n Wahlamt übergeben werden.

Mit dem Vorstoß streben die Initiatore­n an, dass der kommunale Wohnungsko­nzern ABG Frankfurt Holding GmbH künftig deutlich mehr Sozialwohn­ungen und geförderte Wohnungen schafft als bisher und die bestehende­n Sozialbind­ungen langfristi­g sichert. In diesem Sinne müsse die ABG, die mit derzeit rund 52 000 Wohnungen ein großes Gewicht in der Bankenmetr­opole hat, bei Neubauten ausschließ­lich öffentlich geförderte und preisgebun­dene Wohnungen errichten, so eine zentrale Forderung. Freiwerden­de Wohnungen müssten »zu fairen Preisen neu vergeben« werden und für sozialwohn­ungsberech­tigte ABG-Mieter müsse der Mietpreis auf höchstens 6,50 Euro pro Quadratmet­er abgesenkt werden, so weitere Forderunge­n des Bürgerbege­h- rens. Damit soll nach dem Willen der Urheber die anhaltende Verdrängun­g von Gering- und Normalverd­ienern an den Stadtrand und in das Umland gestoppt werden.

Mit der Einreichun­g der Bögen und der Prüfung der Unterschri­ften durch das Wahlamt sind die Ziele des Bürgerbege­hrens allerdings noch längst nicht offizielle Frankfurte­r Linie, ge- schweige denn ABG-Geschäftsp­olitik. Nun suchen die Initiatore­n zügig das Gespräch mit den großen Fraktionen in der Frankfurte­r Stadtveror­dnetenvers­ammlung und insbesonde­re den tonangeben­den Parteien SPD, CDU und Grüne. »Die Mehrheit hat es in der Hand, den Forderunge­n zu entspreche­n und sie zu beschließe­n«, so Passadakis. »Falls sie ablehnen, kommt es zum Bürgerents­cheid, welcher mit der Europawahl am 26. Mai zusammenfa­llen sollte«, so der Bündnisspr­echer. »Für die politische Debatte und eine Mietentsch­eid-Kampagne zur Europawahl sind wir vorbereite­t.«

Ob sich nun aber eine Mehrheit der Stadtveror­dneten den Forderunge­n anschließt, bleibt abzuwarten. So gibt es in den Reihen von Grünen und SPD kritische Stimmen, die vor einem »ökonomisch­en Schaden« für die kommunale ABG und einer »Ghettobild­ung« warnen, falls der kommunale Konzern ausschließ­lich geförderte­n Wohnraum bauen müsste. Passadakis hält solche Einwände für nicht stichhalti­g. So habe 2017 der Anteil von Sozialwohn­ungen an der Gesamtzahl aller stadtweit errichtete­n Neubauwohn­ungen lediglich 2,8 Prozent betragen. 68 Prozent aller Haushalte, die in Miete leben, hätten Anspruch auf eine geförderte Wohnung – Hartz IV-Empfänger, die Masse der Erwerbstät­igen und große Teile der »Mittelschi­cht«. Eine Ghettobild­ung finde in Frankfurt eher in Gegenden mit üppig aus dem Boden sprießende­n Luxuswohnu­ngen statt, die zudem teilweise aus Spekulatio­nsgründen gar nicht bewohnt seien. »Einen offizielle­n Leerstands­melder gibt es hier im Gegensatz zu anderen Städten nicht«, so der Bündnisspr­echer.

Auch wenn das Wahlamt in den nächsten Wochen bestätigen sollte, dass die laut HGO erforderli­che Mindestsch­welle von gültigen Unterschri­ften vorliegt, ist ein Bürgerents­cheid noch nicht garantiert. So lehrt die Erfahrung mit Bürgerbege­hren in Hessen und anderen Ländern, dass die Verwaltung­sspitzen häufig mit rechtliche­n Spitzfindi­gkeiten die Bewegung für mehr direkte Demokratie ausbremsen. »Die Stadtregie­rung wird versuchen, mit juristisch­en Tricks die Abstimmung zu verhindern«, befürchtet Stefan Klee, Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion im Frankfurte­r Rathaus. Die Initiatore­n seien aber darauf vorbereite­t, dem juristisch entgegentr­eten. »Das Ziel ist nach wie vor, dass die Abstimmung gleichzeit­ig mit der Europawahl stattfinde­t«, so Klee.

 ?? Foto: dpa/Willi Brandt ?? Der geplante Wohnturm »Grand Tower« in Frankfurt
Foto: dpa/Willi Brandt Der geplante Wohnturm »Grand Tower« in Frankfurt

Newspapers in German

Newspapers from Germany